Der Knecht allein
Derzeit gibt es wieder reichlich Promis, die mit Depressions-Büchern aufwarten. Wie jüngst im Fall von Kurt Krömer sind das oft Beichten besonderer Art. Der Schriftsteller Gerbrand Bakker zählt in den Niederlanden zu den großen Stars - und beschreibt jetzt in »Knecht, allein« seine Knechtung durch besagte Krankheit, die bei ihm vom Libido-Verlust bis zur Abwesenheit jeglicher Gefühle etliches nach sich zieht.
Berührende Fragen
Mit dabei ist wie in manchen anderen Depressions-Werken immer auch jene merkwürdige Eifersucht, die die eigene Depression als einzig wahre gelten lassen will. Bakkers Buch zeichnet sich aus durch schonungslos biografische Offenheit - sein Rezept auch in früheren Büchern. Das ist nicht jedermanns Sache, aber seit Karl-Ove Knausgård oder in Frankreich etwa Emmanuel Carrère nicht mehr wegzudenken. Letztlich ist Bakkers Werk eine 300-seitige Aneinanderreihung von Notaten, was voraussetzt, dass man sich für den Autor interessieren muss, der diese aufgeschrieben hat - oder zumindest für dessen Krankheit. Für einen Depressiven ist die Notatsammlung partiell recht munter - diversen Medikamenten sei Dank.
Tiefe und berührende Fragen (»Gibt es eigentlich Menschen, die wirklich verstehen, was sie tun, wie sie sind?«) wechseln sich ab mit banalen Passagen, so wie es einem ja auch im Leben widerfährt: Man stakst durch ödes Gelände und hat auf einmal eine gute Idee. Im Unterschied zum Leben würde man sich von einem Buch allerdings etwas mehr Formung wünschen - das ist im Übrigen ja einer der Gründe, warum es Bücher gibt (zusätzlich zum Leben, das man ohnehin schon hat).
Bakker mutet seinen Lesern sein Leben aber offenbar lieber ungefiltert zu. Das hat etwas vom Spektakel gewisser TV-Shows - und ist möglicherweise auch einer der Gründe für seinen Erfolg. Die tiefen Gedanken, gelegentlich, immerhin, hat er jenen voraus. Dierk Wolters
Gerbrand Bakker: Knecht, allein. Suhrkamp, 320 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-518-43033-0