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Der Blick des "Göttlichen Guido"

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Kleinteilig und behutsam werden die Fehlstellen rekonstruiert, gefüllt und schließlich der Oberfläche des Gemäldes angepasst. fotos (3): Städel © Städel

Frankfurts Städel saniert für Ausstellung Meisterwerk des Barockmalers Guido Reni

Frankfurt -Jeder Muskel seines Körpers ist gespannt. Denn Christus wartet auf die zwei Henkersknechte, die jeden Moment kommen und ihn mit Schlägen traktieren werden. Doch davon sieht man nichts, das Gemälde konzentriert sich auf die Figur Christi, auf seinen Glauben und seine widerstreitenden Gefühle vor der Geißelung. Dieses Meisterwerk hat Guido Reni um 1604 gemalt; das große Bild ist schon seit langer Zeit im Besitz des Frankfurter Städels. Der italienische Barockmaler erlebte einen steilen Aufsstieg, ward aber später vergessen.

Erst vor rund 35 Jahren, um 1988/89, wurde Reni rehabilitiert, dank einer Schau, die in Bologna, Los Angeles und auch in der Frankfurter Schirn Kunsthalle zu sehen war. Mit dieser Schau machte sich die zwei Jahre zuvor eröffnete Schirn einen Namen in der Kunstwelt. Jetzt aber wechselt Guido Reni (1575-1642) über den Main und wird vom 23. November an im Städel groß gefeiert mit einer Überblicksschau, die allein 130 Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken des Meisters versammelt, abgerundet von etwa 35 weiteren Werken seiner Kollegen.

Dazu muss freilich Guido Renis Gemälde "Christus an der Geißelsäule" umfassend restauriert werden, hat es doch durch gelbe Firnisschichten seine ursprüngliche Farbigkeit und seine tiefenräumliche Wirkung verloren. Überdies sind große Teile des Hintergrundes in der Tiefe beschädigt. So zeigte das Städel kürzlich das noch nicht komplett restaurierte Bild, das nun den Körper Christi wieder in einer blassen Hautfarbe aus dem Dunkel des Hintergrundes auftauchen lässt.

Der gelbliche und kränklich wirkende Christus ist damit vergessen, dank der jungen Restauratorin Lilly Becker, die in der Präsentation alle großen und kleinen Fehlstellen des Gemäldes benannte. Und Kurator Bastian Eclercy begründete, weshalb Reni eine Ausnahmeerscheinung war, rückte er doch nur den Körper und die Gefühle Christi ins Bildzentrum. "Eine geniale Art der Vereinfachung, typisch für Reni", meint der Kurator. Guido Reni ließ die zwei Knechte und den Raum der Geißelung weg und reizt damit die Imaginationskraft.

Berühmt aber wurde der Maler mit einem anderem Motiv, mit dem ergebungsvollen Augenaufschlag seiner frommen Menschen gen Himmel. Dieser "himmelnde Blick" war Renis Markenzeichen. So galt er 200 Jahre lang als "göttlicher Guido", als einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Maler des 17. Jahrhunderts. Doch dieser oft nachgeahmte Blick wurde Guido Reni im 19. Jahrhundert zum Verhängnis. Sein Stil wurde als "sentimental", sogar als "vulgär" abqualifiziert - im einst verehrten Barockkünstler sah man nur noch einen Kitschmaler, der alsbald in Vergessenheit geriet.

Auch das Städel besitzt ein solch typisches, wenngleich nicht kitschiges Gemälde, die "Himmelfahrt Mariens" von 1596/97. Reni machte in diesem Frühwerk aus der meist dramatisch in allen Farbtönen geschilderten Auffahrt Mariens ein sanftes Emporschweben voller Harmonie. Für sein einfühlsames Malen wurde Reni viel gelobt. Er war der künstlerische Protagonist der Gegenreformation; der katholischen Welt kam er gerade recht, um ein Zeichen gegen den Unglauben zu setzen.

Freilich wird man Guido Reni nicht gerecht, wenn man ihn auf die schmachtenden Blicke gen Himmel reduziert. Bei ihm ging es immer um Schönheit und Eleganz, um Ruhe und Natürlichkeit, um erst intensiv leuchtende und später stark aufgehellte Farben, die er virtuos auf die Leinwand warf. Die beste Malidee aller Zeiten, die starken Hell-Dunkel-Kontraste, die sein Zeitgenosse Caravaggio erfunden hatte, imitierte Reni zuerst, interpretierte sie dann immer freier für seine Zwecke. Das macht gerade einen großen Künstler aus, meint Eclercy.

So dürften in der Frankfurter Schau, die als zweite Station im Madrider Prado zu sehen sein wird, neben den frommen Blicken noch viel mehr Renis brillant gemalte mythologische Szenen für Begeisterung sorgen. Denn wer kennt heute noch die wundersame Liebesgeschichte von Hippomenes und Atalante?

Informationen

23. November 2022 bis 5. März 2023. www.staedelmuseum.de

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Christus-Kopf von Guido Reni aus dem Jahr 1620. © Reni
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Kurator Bastian Eclercy © Städel

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