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Das Pop-Genie

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Ewig jung scheint er: Paul McCartney 2017 im Hollywood Casino Amphitheatre in Tinley Park, Illinois. © afp

Der einzigartige Melodienerfinder Paul McCartney wird 80 Jahre alt

Liverpool -Im genialen Songschreiber-Duo der Beatles ist er die Nummer zwei: Lennon/McCartney - genau in dieser Reihenfolge hat sich, trotz einiger Anfechtungen, der Markenname für die erfolg- und einflussreichste Partnerschaft im Pop gehalten. Dazu passt die Rangordnung vieler Experten, Musiker und Beatles-Fans: vorn der 1980 mit 40 Jahren ermordete John Lennon, der kühne, rotzige, exzentrische Höchstbegabte; dahinter Paul McCartney, der charmante Beau, der Erzromantiker, der irgendwie biedere Fließbandarbeiter für schöne Songs über Liebe, Familie und "Mull Of Kintyre".

Wie wenig wird dieses Klischee doch dem Mann gerecht, der heute bei offenkundig guter Gesundheit seinen 80. Geburtstag feiert! 50 Jahre lang hat Sir Paul (so sein Titel seit 1997) auch nach dem irrwitzigen Höhenflug der Beatles, nach all den bahnbrechenden Alben und Songperlen von "Love Me Do" über "Penny Lane" bis "Let It Be" bewiesen, dass er einer der größten Komponisten und Texter überhaupt ist - und zwar weit über Pop und Rock hinaus.

Rückblende ins 1970: Am Split nach jener kurzen "Beatlemania"-Ära voller Triumphe, aber auch zunehmender persönlicher Querelen hatte der Bassist, Pianist und Sänger des britischen Quartetts gewiss seinen Anteil - manche halten ihn gar für den Auslöser. Obwohl es in einem BBC-Interview vom vorigen Herbst anders klang: "Ich habe den Bruch nicht initiiert. Das war unser Johnny", sagte der 79-Jährige und schob Lennon die Verantwortung zu. Wer auch immer der berühmtesten Band der Welt vor gut 50 Jahren den Todesstoß verpasste - McCartney hielt sich nicht lange mit Klagen auf. Ob mit den frühen Soloplatten, als Frontmann der Wings mit Ehefrau Linda (1971-1981) oder danach als lebende Legende mit vielen starken Alben: Der am 18. Juni 1942 geborene Musiker hat auch als ehemaliger Beatle "geliefert".

"Nur Paul Mc-Cartney machte unbeirrt weiter: veröffentlichte Platten, spielte Konzerte, stellte sich dem Zeitgeist", schrieb kürzlich der renommierte Musik-Autor Maik Brüggemeyer im Magazin "Rolling Stone". Seit der Trennung von den Liverpool-Kumpels John Lennon, George Harrison und Ringo Starr sei Sir Paul auch "eine schizophrene Künstlerpersönlichkeit", betont Brüggemeyer (46). "Auf der Bühne ist er der Beatle, im Studio ist er der Ex-Beatle, der in Konkurrenz tritt zu seiner eigenen Vergangenheit und zeigen will, dass man auch noch etwas erreichen kann, wenn man alles erreicht hat."

Dabei wagte McCartney, der angeblich so brave Popsong-Handwerker, durchaus Experimentelles - etwa im Electro-Projekt The Fireman oder als Klassik-Seiteneinsteiger. Dass ihm auch im hohen Alter noch Pop-Glanzstücke glücken können, bewies er 2020 mit dem im Alleingang produzierten "Rockdown"-Album "McCartney III". Aus den Jahrzehnten davor sind das rustikale "Ram" (1971), "Band On The Run" mit den Wings (1973), "Tug Of War" (1982), "Flaming Pie" (1997) sowie "Chaos And Creation In The Backyard" (2005) besonders hoch einzuschätzen.

McCartney hat natürlich längst alle Ehrungen und Würden erhalten, die die (Musik-)Welt zu bieten hat - inklusive der zweifachen Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame und einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Allein den US-Grammy gewann er 18 Mal, bei 81 Nominierungen. Auch in den fünf Jahrzehnten nach den Beatles soll er über 100 Millionen Tonträger verkauft haben.

Voriges Jahr hat McCartney eine Art Autobiografie vorgelegt - ein Leben in 154 Songs, mit persönlichen Texten, Geschichten, privaten Fotos und Notizen. "Wenn Leute erstmal ein gewisses Alter erreicht haben, greifen sie gerne auf Tagebücher oder Terminkalender zurück, erinnern sich Tag für Tag an vergangene Ereignisse, aber solche Aufzeichnungen habe ich nicht", sagte er. "Was ich habe, sind meine Songs - und eigentlich erfüllen sie denselben Zweck."

Der "Rolling Stone" listete McCartney vor fünf Jahren auf Platz zwei der 100 besten Songwriter aller Zeiten - direkt hinter Bob Dylan und noch vor John Lennon.

Mit der knapp ein Jahr älteren US-Fotografin Linda Eastman, die 1969 zu Frau McCartney wurde, bildete der Musiker bis zu ihrem Tod 1998 ein Pop-Traumpaar. Die zweite Ehe mit dem Ex-Model Heather Mills von 2002 bis 2008 verlief unglücklich, seit 2011 ist Paul McCartney mit der New Yorker Geschäftsfrau Nancy Shevell (62) verheiratet. Aus zwei der drei Ehen hat er fünf Kinder. Am 25. Juni folgt ein neues Highlight dieser an Höhepunkten so reichen Karriere: McCartney tritt vor rund 200 000 Besuchern als Headliner beim Glastonbury-Festival in England auf.

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