Dämonen aus der Stahlsuppe

Die legendäre Band Judas Priest feiert in Frankfurt ihre 50 Jahre im Heavy Metal
Frankfurt -Ist das jetzt Gandalf der Graue? Oder Saruman der Weiße? Es ist Rob Halford (70) der Schwarze, der God of Metal, des Leders, der Nieten und der Stimmgabel des Teufels, modisch und musikalisch stilprägend: 50 Jahre Heavy Metal - und Judas Priest sind noch da.
Als es losging, waren die meisten Männer im Publikum - es sind vor allem Männer - acht, neun Jahre alt oder hörten im Fruchtwasser die ersten stählernen Riffs aus Birmingham. Heute sind sie ein bisschen weniger gut in Schuss als Halford selbst: Wenn zwei Fans sich gleichzeitig seitlich durch die Toilettentür aneinander vorbeischieben, kommt es nicht nur gelegentlich zur Kollision der Kugelbäuche unter den schwarzen T-Shirts.
Aber jetzt steht Halford auf der Bühne der Jahrhunderthalle, mit weißem Rauschebart, Sonnenbrille, im schwarzen, goldbetressten Mantel eines Unterwelt-Fürsten: Der Mann ist topfit. Los geht's mit "One Shot At Glory" vom "Painkiller"-Album (1990), einem dieser harten, schnellen, scharf die Luft durchschneidenden, hymnischen Priest-Kracher. Im Hintergrund eine Fabrik mit einem Vorhang, durch den Halford immer mal schlüpft, um eine neue Kutte anzulegen - oder Luft zu schöpfen. Auf Videos sind Maschinen zu sehen, Arbeiter, Birmingham: Stadt der Kanonen-, Eisenbahn- und Dampfmaschinenproduktion, deren höllisch brodelnder Stahlsuppe damals auch Black Sabbath ("War Pigs") entstiegen.
Dass die Tour nach dem großartigen Werk "Firepower" (2018) überhaupt losging, ist ein Wunder: Nach dem Ausscheiden von Gitarrist K.K. Downing fiel auch Glenn Tipton (74) wegen Parkinson weitgehend aus. Dann kam Corona. Die Absicht, nur noch als Quartett aufzutreten, scheiterte am Protest der Fans. Gitarrist Richie Faulkner (42) sprang im vergangenen Jahr dem Tod dank einer Herzoperation vom Griffbrett. Jetzt steht Faulkner breitbeinig in Frankfurt auf der Bühne, säbelt und pickt galoppierende Riffs, singende, jaulende, flimmernde Fingerbrecher-Soli. Dass er mit dem zweiten Gitarristen Andy Sneap nicht leisten kann, was das einmalige Duo Downing/Tipton in komplexen Solo-Parts oder den legendären virtuosen zweistimmigen Läufen in die Hallen zauberten, geschenkt.
Schlag auf Schlag, Blitz auf Blitz: "Lightning Strikes", "Turbolover", "Hell Patrol", "Touch Of Evil", "Blood Red Skies". Da ist keine Routine, keine Ermüdung, kein Rost, kein Verfall. Der Priest-Train rast donnernd, kreischend, stampfend durch die Jahrhunderthalle. Rob Halford, wohl der erste Metal-Held, der sich als schwul outete, wandert derweil in gemächlichem Tempo hin und her, versucht gar nicht erst, den virilen Liebling der Schwermetallgötter zu geben. Obwohl er später noch mit der Harley einfährt, wirkt er manchmal wie der Nikolaus oder ein tapsiger Musiklehrer, der ins Schulorchester hineinhorcht und den Solisten auf die Finger klopft. Noch immer erreicht seine Stimme die magischen Höhen.
Dann: Trommelberserker Scott Travis sagt eines der größten Meisterwerke an, die der Heavy Metal je hervorgebracht hat - "Painkiller". 5000 Fans johlen selig. In den Zugaben - "Electric Eye", "Hell Bent For Leather", "Breaking The Law", "Living After Midnight" - tritt für die letzten beiden Songs tatsächlich Glenn Tipton auf die Bühne, spielt mit. Schluss. Judas Priest verbeugen sich wie ein Theater-Ensemble. Plektren fliegen in die Menge. Das Licht geht an. Vom Band dudelt "We Are The Champions". So ist es wohl.