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Beine schießen in die Höhe, spielerisch flattern die Hände

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Ästhetik pur zeigen die Tänzer des Complexions Contemporary Ballet in der Alten Oper. © Sharen bredford

Die Tanzshow "Star Dust - From Bach to Bowie" gastiert in Frankfurts Alter Oper

Frankfurt -Das goldene Licht lässt die Haut seidig schimmern. Die Muskeln der biegsamen Körper treten so noch deutlicher hervor. Dem Fluss der Musik scheinen sich die Tänzerinnen und Tänzer des Complexions Contemporary Ballet nicht entziehen zu können. Das Cello treibt sie an, das Klavier lässt sie sich biegen und strecken.

Immer wieder schießen Beine geradlinig in die Höhe, verharren dort, als geschehe diese beeindruckende Dehnung mühelos. Dann, inmitten dieser ausgereiften klassischen Techniken, ein Necken. Ein Kopf, der keck hin und her ruckt, sodass man meint, ein Augenzwinkern Richtung Publikum zu sehen, ein spielerisches Flattern der Hände, ein Ausbüchsen aus dem Konventionellen.

Das Ensemble aus New York, das bis einschließlich Samstag erstmals in der Frankfurter Alten Oper gastiert, glänzt nicht nur mit imposanter Athletik, es mixt auch das Traditionelle erfrischend mit dem Neuen, und das, trotz zahlreicher Passagen, in denen die einzelnen Tänzer oder Paare parallel die gleichen Bewegungen absolvieren, stets mit einem hohen Grad an Individualität.

Der Choreograf des Abends mit dem Titel "Star Dust", Dwight Rhoden, und sein Kompagnon Desmond Richardson, mit dem zusammen dieser die Truppe 1994 gründete, legen besonderen Wert auf Vielfalt.

Sie haben sich Künstler aus unterschiedlichsten Kulturen, sowohl was die Herkunft als auch die Tanzausbildung betrifft, zusammengesucht, die einander inspirieren und ergänzen sollen. So ist keine perfekte Synchronität zu bestaunen, sondern vielmehr, wie variantenreich eine identische Bewegung ausgeführt werden oder aussehen kann.

Auffallendstes Beispiel ist Jillian Davis, eine fast 1,90 Meter große Tänzerin mit rötlichen Haaren, die selbst dann in den Blick fällt, wenn sie mal nicht im Mittelpunkt steht. Die hochgewachsene Gestalt verdreht die gewohnten Perspektiven, wenn sie sich unter der Hand ihres Partners auf die Spitze hebt und dreht. Das gängige Rollenverständnis wird in anderen Duetten ebenfalls auf den Kopf gestellt.

Vielfalt prägt auch thematisch den Doppelabend. Der Auftakt, "Bach 25" von 2018, ist den Komponisten Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach gewidmet. Nichts lenkt hier vom puren Tanz ab, die Formen gleiten meist schwellenlos in- und auseinander.

Was streng und sorgfältig geregelt erscheint, löst sich nach der Pause in Partystimmung auf. "Star Dust", so auch der zweite Untertitel, ist eine mehrteilige Hymne auf David Bowie. Der Tanz, obwohl stets präsent, rückt in dem 2016, also im Todesjahr des britischen Musikers uraufgeführten Stück phasenweise in den Hintergrund. Während jeweils einer der Tänzer vorne den Sänger mimt, wirken andere dahinter wie Background-Entertainer und das Ganze wie eine Konzertshow.

Die zuvor metallenen Kostüme sind bunten Hosen und Oberteilen gewichen, Haare und Gesichter haben einen farbigen Anstrich bekommen. Wie entfesselt rocken die extravaganten Typen zu Hits von "Lazarus" über "1984" bis "Young Americans" über die Bühne, schillernde Figuren mit der auf ihre Art gleichen Wandlungsfähigkeit, die Bowie auszeichnete, und befreit die eigenen Stärken betonend. Die Zuschauer waren dabei, die finale Aufforderung "Let's Dance" anzunehmen. Doch die Protagonisten nutzten sie bereits dazu, sich zu verabschieden.

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