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Ausgebrannt: Vor 25 Jahren starb Kurt Cobain

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Von: Florian Dörr

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Zerrissene Seele und Stimme einer Generation: Kurt Cobain.
Zerrissene Seele und Stimme einer Generation: Kurt Cobain. © Robert Sorbo/AP

Erst kamen Bob Dylan und John Lennon, dann sprach Kurt Cobain für seine Generation. 25 Jahre nach seinem Tod gehört das Grunge-Genre der Vergangenheit an. Was bleibt sind Legenden und große Musik.

Drei Tage dauert es, bis die Leiche gefunden wird. Zerrissene Jeans. Auf dem Rücken liegend. Den Kopf leicht nach links gedreht. Chucks an den Füßen. Dazwischen Sonnenbrille, einige Geldscheine, Drogenzubehör. Die Flinte im Schoß. Drei stille Tage. 

Am 8. April 1994 kommt Gary Smith, der Elektriker, der sich um die Beleuchtung auf dem abgeschotteten Gelände in Seattle kümmern soll, wirft einen Blick ins verschlossene Gartenhaus. »Es sah aus wie eine Schaufensterpuppe. Dann schaute ich noch mal hin und sah das Blut«, wird Gary Smith Jahre darauf in einer Dokumentation sagen. Sofort ruft er seinen Chef an, fragt ihn, wie dieser Kurt Cobain, dem das Gelände gehört, eigentlich aussehe. Der hat keine Ahnung, lässt ihn sich - so besagt es die Legende - von seiner Sekretärin beschreiben. Dann dämmert es wohl auch Gary Smith: Vor ihm liegt der größte Rockstar seiner Zeit tot in einem Gartenhaus.

Kurt Cobain: »Plötzlich wurde mir die Wirklichkeit dieser Umgebung bewusst«

Am 20. Februar 1967 wird Kurt Cobain hier in Aberdeen - 200 Kilometer südlich von Seattle, immer entlang der Interstate 5 - geboren. Die höchste Arbeitslosenquote im Bundesstaat. Alle lebten hier von der Holzindustrie, bis die letztlich einging. Er hat eine ordentliche Kindheit dort, wo der Chehalis River in den Pazifik mündet, trotz der Psychopharmaka, die man ihm gegen seine Hyperaktivität verabreicht. Doch mit der Scheidung seiner Eltern verändert sich alles. Noch Jahre später soll er davon singen, in seinem Song »Serve the Servants« etwa. Auch in Interviews wird er sich später an den Bruch erinnern: »Ich wurde sehr unsozial. Plötzlich wurde mir die Wirklichkeit dieser Umgebung bewusst. Und die hatte nicht viel zu bieten.« Immer wieder gibt es Streit mit beiden Elternteilen. Cobain sucht, so heißt es, immer öfter im Wohnwagen seines Großvaters Zuflucht, übernachtet im Wartesaal eines Krankenhauses oder in verlassenen Häusern. Von denen gibt es dieser Zeit einige in Aberdeen, denn wer etwas aus sich machen will, versucht es woanders.

Kurt Cobain bleibt erst mal, lernt Krist Novoselic kennen, mit dem er kurz darauf anfangen wird, Musik zu machen. Mit »About a girl« schreibt Cobain Ende der 80er Jahre einen seiner ersten Songs für seine damalige Freundin Tracy Marander. »Jeder in Aberdeen machte Sport. Er versuchte sich kurze Zeit als Ringer, aber er mochte es überhaupt nicht. Er war kein großer Sportler«, wird sie Jahre später gegenüber TV-Journalisten erzählen.    

Kurt Cobain: Seattle als Epizentrum des Grunge

Rund um Seattle spielen dieser Tage Bands wie die Melvins, Soundgarden und Mudhoney. später auch Alice in Chains oder Pearl Jam eine neuartige, kraftvolle Musik. Es ist die Wiege des Grunge. Dagegen wettern gestandene Musiker wie Gene Simmons von Kiss: »Es gab keine Lichtshows mehr, keine coolen Klamotten, keine Effekte. Die Musiker zogen sich wie Penner an.« Gitarrist Cobain ? inzwischen ist er von allen Schulen geflogen, arbeitet unter anderem als Teppichverleger und Hausmeister, lebt aber auch von Lebensmittelmarken ? und Bassist Novoselic finden einen halbwegs fähigen Schlagzeuger, gründen Nirvana und machen sich auf, in drei Jahren das zu durchleben, für das Led Zeppelin ein Jahrzehnt hatten.

Am 24. September 1991 folgt ? inzwischen sitzt Dave Grohl am Schlagzeug ? mit »Nevermind« der Durchbruch. 50 000 Exemplare werden zunächst gepresst. »Als er von der Aufnahme des Albums zurückkam, das eine Generation verändern sollte, hatte er keinen Platz zum Leben. Er schlief in seinem Auto«, erinnert sich sein Biograf Charles Cross später in einer Dokumentation an das Jahr 1991. Dann stößt die Platte Michael Jacksons »Dangerous« vom Thron der US-Charts. Bis heute verkauft sie sich weit über 30 Millionen Mal.

Kurt Cobain: Heroin, Entzug, Heroin, Entzug

Mit Courtney Love - einst Stripperin, nun Frontfrau von Hole und frischgebackene Gattin von Kurt Cobain - vereint ihn die zerrüttete Vergangenheit, nun der Ruhm, bald eine Tochter. Und die Sucht. Cobain gibt immer mehr Geld aus. Für Heroin. Für Entzug. Für Heroin. Für Entzug.

Bis er verschwindet. Einige Tage vor dem 5. April 1994 flieht er aus einer Entzugsklinik in Los Angeles. Über eine Mauer, wie es heißt. Obwohl die Tür nur wenige Meter entfernt und wie immer unbewacht war. Kurt Cobain fliegt nach Seattle. Angekommen auf dem abgeschotteten Gelände, auf dem sein Haus steht, nimmt er sich ein Malzbier aus dem Kühlschrank, geht in seinen Chucks und den zerrissenen Jeans die paar Meter zum Gartenhaus, verschließt die Tür hinter sich. Dort trinkt der größte Rockstar seiner Zeit sein Malzbier, holt sich seine Flinte, setzt sich einen Schuss.

Drei Tage später kommt Elektriker Gary Smith. Im Abschiedsbrief an Ehefrau und Tochter zitiert Kurt Cobain Neil Young: »It?s better to burn out than to fade away.«

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