Auf Verbrechersuche an der Lahn

Das ein solches Verbrechen im beschaulichen Marburg geschehen könnte, mag man sich gar nicht vorstellen. Ein Mord, die Leiche schwimmt - nackt und mit einem Degen durchbohrt - in der Lahn. Verdächtige gibt es in Felix Scholz’ »Tod in Marburg« einige.
Yalda Wegener ist - oder besser gesagt: war - eine erfolgreiche Forscherin. Sie stand mit einem neuen Verfahren zur Impfstoffherstellung kurz vor dem Durchbruch. Jetzt allerdings ist sie tot. Von einem badenden Studentenpärchen nackt und mit einer tiefen Stichwunde in der Brust an einem Wehr in der Lahn gefunden. Die Frau von Anton Wegener, einem hohen Tier bei den Marburger Behringwerken, scheint allerdings eine der Figuren im Buch zu sein, die ein solches Ende am wenigstens verdient hat. Doch wer hat ihr das angetan? Die rechten Burschenschaften, mit denen sie sich des Öfteren angelegt hat? Ihr Ehemann, der ganz offensichtlich nicht so bestürzt über Yaldas Tod ist, wie man erwarten würde? Ines Schmied jedenfalls scheint ehrlich betroffen. Ob ihre Liebesbeziehung zu Yalda Wegener deren konservativem Bruder ein Dorn im Auge war?
Burschenschaften aufmischen
Kommissar Eduard Momberger, seit seiner Studentenzeit eng mit Marburg verbunden, hat nicht viel Erfahrung mit Mordfällen. Schließlich gibt es davon in der Universitätsstadt nicht allzu viele. Trotzdem wurmt es ihn, dass er nun einen Mordermittler aus Frankfurt (den mit der höchsten Aufklärungsquote!) vor die Nase gesetzt bekommt. Philipp Zassenberg ist genauso wenig begeistert von der Aussicht, in einem Kaff wie Marburg arbeiten zu müssen. Alle Versuche Mombergers, ihm die Schönheit der Universitätsstadt näherzubringen, scheitern zunächst. Und Momberger muss zugeben, dass Zassenberg seinen Job gut macht.
Gemeinsam mischen sie die Marburger Burschenschaften und die Vorstandsetagen des Pharmakonzerns auf, gehen dabei auch mal einen Schritt zu weit, diskutieren die Vor- und Nachteile selbst gedrehter Zigaretten gegenüber fertig gekauften, ziehen durch die Kneipen. Überhaupt wird viel geraucht und getrunken. Mit den Frauen läuft es bei beiden nicht so gut. Typische Kommissare eben. Mit der Zeit raufen sie sich zusammen, lernen sich schätzen, nähern sich an und kommen dem Motiv für den Mord Stück für Stück auf die Schliche. War Eifersucht im Spiel? Ging es um Industriespionage? Um Missgunst? Oder um ein verletztes Ehrgefühl? Dabei wird Momberger immer wieder von seiner linken Prägung aus Studententagen eingeholt, was ihm Zassenberg genüsslich unter die Nase reibt.
Unterhaltsame Lektüre
Immer präsent ist die Stadt mit ihren Gassen, Kneipen, Sehenswürdigkeiten und Eigenheiten. Das mag dem einen oder anderen Leser, dem Marburg nicht so vertraut ist, etwas zu viel des Guten sein, zeigt aber die Verbundenheit des Autors mit der Stadt. Felix Scholz ist Dozent an der Marburger Philipps-Universität, und in der Poetry-Slam-Szene der Stadt bekannt. »Tod in Marburg« ist sein erster Kriminalroman. Sein Humor ist speziell und womöglich nicht jedermanns Sache. Dem Roman stellt er die Widmung »Für meine Miete« voran. Die beiden Polizisten Fritz Zaun und Albert Michel sind als die Deppen der Polizeistation angelegt, sie sind für den Slapstick zuständig, der vermutlich in bewegten Bildern besser funktionieren würde. Und auch Mombergers Chefin, genannt »der Giftzahn«, wirkt stark überzeichnet. Wer daran allerdings Gefallen findet, für den wird »Tod in Marburg« eine unterhaltsame Lektüre sein, besonders wenn er die Stadt Marburg mal mit anderen Augen sehen möchte.
Felix Scholz: »Tod in Marburg«, emons Verlag, 272 Seiten, 13 Euro, ISBN 978-3-7408-1411-3
