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Zankapfel Waldwildnisfonds

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Von: Christina Jung

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Das Thema Waldwildnisfonds wird in Hungen schon seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Nun steht die Entscheidung über die Teilnahme am Förderprojekt an. Und die Zeichen stehen auf Zustimmung. Das Ergebnis einer Online-Befragung der Bürger zum Thema wird von den Mandatsträgern allerdings völlig unterschiedlich gewertet.

Wer die Veröffentlichungen der Hungener Parteien in den Medien verfolgt hatte, wusste schon vor Beginn der Sitzung des Umwelt- und Klimaausschusses am Montagabend im Dorfgemeinschaftshaus in Rodheim, wie die einzige dort anstehende Abstimmung ausfallen würde. Das teils emotional diskutierte Thema: die Teilnahme am Förderprojekt Wildnisfonds. Grüne, Pro Hungen und SPD (5) plädierten dafür, CDU und Freie Wähler (4) dagegen.

Folgt die Stadtverordnetenversammlung am Dienstag kommende Woche dieser Beschlussempfehlung, wird ein 176 Hektar großer Teil des Stadtwaldes zwischen Langd und Villingen aus der Bewirtschaftung herausgenommen, werden die Nutzungsrechte daran an die NABU-Stiftung übertragen, damit sich die Natur in diesem Bereich wieder nach ihren eigenen Gesetzen entwickeln und dort Wildnis entstehen kann.

Zu dem Vorhaben hatte es im März eine Bürgerinformationsveranstaltung gegeben, im April eine Online-Befragung durch die Wettenberger Firma eOpinio. Die Ergebnisse wurden im Ausschuss präsentiert.

Demnach haben sich 42,6 Prozent der Teilnehmer für eine Übertragung der Nutzungsrechte an die NABU-Stiftung ausgesprochen, 41,5 Prozent für eine weitere Bewirtschaftung mit Holzgewinnung. »Ein sehr knappes Ergebnis«, wie es Momoko von Sprockhoff (eOpinio) formulierte. Weitere 11,3 Prozent der Teilnehmer sind der Auffassung, dass die Eigentums- und Nutzungsrechte für das Waldstück bei der Stadt verbleiben und damit Ökopunkte generiert werden sollten (4,6 Prozent machten keine Angaben), was bei den Mandatsträgern zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen führte.

Nach Auffassung von FW und CDU haben sich mehr als die Hälfte der Teilnehmer (41,5 zuzüglich der 11,3 Prozent) gegen die Übertragung der Nutzungsrechte und damit gegen das Projekt ausgesprochen, ebenso wie die betroffenen Ortsbeiräte. Die Befürworter des Waldwildnisfonds kommen zu einem anderen Ergebnis. Weil sich die relative Mehrheit dafür ausgesprochen hat.Weil auch die Generierung von Ökopunkten eine Bewirtschaftung mit Holzgewinnung ausschließt. Weil bei der Frage nach der Bedeutung des Stadtwaldes durch eOpinio für die Bürger die Themen Klimaschutz, Naherholung und Biodiversität als wichtiger eingestuft wurden als die der Holznutzung.

Darüber hinaus hagelte es von dieser Seite Kritik an der Art der Online-Befragung, die aus Sicht von Alexander Kargoscha (Grüne) keine Entscheidungsgrundlage für die Mandatsträger sein könne. Nicht auszuschließende Mehrfachteilnahmen oder die Beteiligung von Nicht-Hungenern wurden seitens Pro Hungen und Grünen ebenso angeführt wie die fehlende Repräsentativität und die Fragen selbst. Kargoscha: »Diese Art und Weise der Bürgerbefragung hat einfach keine Aussage.«

Eine Argumentation, die Isolde Kammer (FW) auf die Palme brachte: »Erst propagieren Sie eine Bürgerbefragung, und wenn das Ergebnis nicht ihren Vorstellungen entspricht, drehen sie den Spieß einfach um.« Sie warf Grünen und Pro Hungen vor, »mit aller Gewalt Meinung manipulieren« zu wollen.

Doch wirkliche Meinung sahen diese durch die Befragung nicht eingeholt. Für Fabian Kraft (Pro Hungen) stellte das Ergebnis auch mit Blick auf die geringe Rücklaufquote von 6,19 Prozent - nur 822 von 13 287 Hungener hatten teilgenommen - »nicht mehr als ein Stimmungsbild« dar, die Durchführung auf diese Weise in seinen Augen eine »Verschwendung von Steuergeld«.

Bürgermeister Rainer Wengorsch konterte: Die Online-Befragung sei Folge eines Parlamentsbeschlusses, wegen des geringen Zeitfensters sei keine andere Form möglich gewesen. Alle Fraktionen hätten darüber abgestimmt, ebenso wie über die gestellten Fragen. Wengorsch legte den Mandatsträgern die Möglichkeit eines seitens der Stadtverordnetenversammlung initiierten Bürgerentscheides nahe, was von Fabian Kraft wegen des geringen Interesses der Bürger am Thema abgelehnt wurde. Die SPD äußerte sich im Ausschuss nicht zum Thema, hatte aber im Vorfeld via Pressemitteilung erklärt, sich für den Beitritt aussprechen zu wollen: Wegen der rund 4,4 Millionen Euro für die Übertragung der Nutzungsrechte. Wegen des Waldnaturschutzgedankens. Wegen des Stellenwerts der Hungener Fläche für die Entstehung eines Wildnisgebietes, das von bundesweiter Bedeutung ist.

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