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»Wurde zum Verlustgeschäft«

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Von: Thomas Brückner

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Mehr zu tun für die Kollegen vom Oberhessischen Diakoniezentrum Laubach: Nachdem der Sozialdienst »MOBI« die Lieferung von Mittagessen eingestellt hat, kommen neue Kunden von »Essen auf Rädern« hinzu - doch nur aus Grünberg. ARCHIVFOTO: TB © Thomas Brueckner

Für so manche Senioren in Rabenau, Grünberg und Mücke dürfte das neue Jahr mit einer bösen Überraschung begonnen haben. Fand sich doch in der Post ein Schreiben des Pflege- und Sozialdienstes »MOBI«, mit Sitz in Grünberg, wonach der Vertrag über die Lieferung des Mittagstisches an die Haustür zum 31. Januar gekündigt werde.

Eine ältere sehbehinderte Dame aus dem Lumdatal, muss sich nun was anderes suchen.« Mit einem solchem Handicap nicht einfach, beklagte sich eine ihr bekannte Leserin gegenüber dieser Zeitung. Zumal das Altenheim in Londorf, über das die Frau die Menüs erhalten habe, keine Alternative benannt habe.

Harald Worsch, Geschäftsführer des Seniorenhauses in Londorf - wie der Pflege- und Sozialdienst »MOBI« eine Einrichtung des gemeinnützigen Trägers »Aktives Leben im Alter« gGmbH mit Sitz in Grünberg - bittet um Verständnis. Die Zahl der Kunden sei von ehedem 80 bis 90 auf zuletzt 50 gesunken. In Zeiten von Corona seien viele vorsichtiger geworden; sie reduzierten ihre Kontakte, kochten wieder selbst. Bei Gegenüberstellung der Kosten für Personal, Essen und Auslieferung ins Lumdatal, nach Grünberg und Mücke habe sich zusehends ein Missverhältnis ergeben: »›Essen auf Rädern‹ wurde für uns zum Verlustgeschäft.«

Wirtschaftliche Gründe also. Mit Folgen auch für Melanie Parusel vom Oberhessischen Diakoniezentrum (OD) in Laubach. Zunächst diese: »Ich habe schon Fransen an den Ohren.« Will heißen: Das Telefon im Büro der Leiterin des Essenlieferdienstes stand in den letzten Tagen selten still. Auf gut 20 schätzt sie die Zahl der Anfragen ehemaliger »MOBI«-Kunden, die sie zumeist auch positiv beschieden hat.

Bereits zuvor hatte die Küche im ehemaligen Stift-Gebäude in der Schottener Straße neben den Altenheimen in Laubach, Lich und Hungen dort auch Privathaushalte beliefert. Die Fahrer steuerten zudem und seit Längerem bereits Haushalte in der Großgemeinde Grünberg an, woher nun auch das Gros der neuen Kunden stammt.

In den zusätzlichen Liefer-adressen sieht Parusel kein Problem. Die Kapazität der Zentralküche sei noch nicht einmal an ihre Grenze gestoßen. Nicht machbar jedoch sei eine Ausweitung bis ins Lumdatal oder nach Mücke. »15 Kilometer, das ist einfach zu weit, das klappt mit den Zeitplänen der Fahrer nicht.«

Parusel verantwortet seit zehn Jahren die Außer-Haus-Lieferung von Mittagessen. In dieser Zeit, so schätzt sie, wuchs die Zahl der Menüs um etwa 25 auf 205 an. »Es gibt immer mal Schwankungen, doch insgesamt ist die Nachfrage konstant.« Von einem Rückgang also keine Rede. Zumal es immer mehr Orte ohne ein Geschäft oder eine Metzgerei gebe, viele auch im Alter lieber zu Hause wohnen bleiben möchten. Dass die Menschen wegen Corona weniger bestellten, auch das kann sie nicht bestätigen.

Seit Ausbruch der Pandemie achteten ihre Fahrer peinlichst genau auf die Einhaltung der Hygienevorschriften, werde die Essensbox wo immer möglich kontaktlos übergeben, etwa aufs Fensterbrett gestellt - zum Leidwesen besonders der Alleinstehenden, ergebe sich doch weniger Gelegenheit zu einem Schwätzchen, wie Parusel anfügt.

Die etwas kurzfristige Kündigung sei für einige Ältere schon ein »Schlag ins Gesicht« gewesen, meinte Andreas Schneider, bei der AWO in Lollar für »Essen auf Rädern« zuständig. Ob auch er »Fransen am Ohr« hat, soll hier offen bleiben. Dass ihn aber »verzweifelte Kunden« aus dem Lumdatal angerufen haben, bestätigte er. Zum Glück auch für sie konnte er bisher alle zehn bis zwölf Anrufer beruhigen. »Wenn es irgendwie geht, machen wir das.«

Schneider zufolge gibt es auch am Sitz der AWO Gießen-Land in Lollar noch genug Kapazitäten, kann und will man künftig auch die Rabenau und Allendorf/Lumda beliefen. Wie »MOBI« bezieht der Sozialverband seine aktuell rund 250 Essen von der Apetito AG mit Hauptsitz in Rheine, liefert den Mittagstisch täglich heiß oder wöchentlich als Tiefkühlware aus.

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