Tot - und fern der Heimat
Wettenberg (so). Eugène Lebrun kletterte während der Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb auf den Heuboden - und stürzte in die Tiefe. Sanitätsrat Seipp diagnostizierte bei dem Fremdarbeiter aus der Normandie einen Schädelbruch. Noch am gleichen Tag starb der junge Franzose in einem Gießener Krankenhaus. Er wurde gerade mal 40 Jahre alt.
Beerdigt wurde Lebrun 1943 auf dem neuen Friedhof in Gießen, nach dem Krieg wurde er wie 22 andere französische Tote nach Frankreich überführt und in der Heimat erneut beigesetzt. Heute, 79 Jahre später, erinnert nichts mehr an das Schicksal des Mannes, den die Nazis als Kriegsgefangenen nach Krofdorf verschleppt hatten. Dort hatte er bei mehreren Landwirten arbeiten müssen.
Dieter Bender aus Krofdorf hat jedoch sich auf Spurensuche begeben und die Geschichte des Mannes aufgezeichnet. Gemeinsam mit Norbert Schmidt von der Deutsch-Französischen Gesellschaft Wettenberg, dem Kulturausschussvorsitzenden Georg Schlierbach und anderen stellt Bender derzeit Überlegungen an, welche würdige Form des Gedenkens Lebrun und weiteren Zwangsarbeitern zuteil werden kann.
Bender weiß von derzeit bekannten vier Menschen, zwei Franzosen und zwei aus der Sowjetunion, die den unfreiwilligen Aufenthalt in Krofdorf auch noch mit dem Leben bezahlten.
Kontakt in die Normandie
Bürgermeister Marc Nees hat in die Norman die geschrieben, den Kontakt gesucht und die Familie von Eugène Lebrun eingeladen. Die Nachfahren haben großes Interesse daran, den Ort zu besuchen, an dem der Ahn in jungen Jahren zu Tode gekommen ist, berichtete Nees dieser Tage im Kulturausschuss der Gemeinde.
Nur wird es dieses Jahr nicht mehr klappen. So ist als Begegnungstermin die Zeit nach Ostern 2023 ins Auge gefasst. Bis dahin soll auch klar sein, an welchem Ort ein Gedenkstein aufgestellt wird.
Der Stein selbst, der aus Lebruns Heimat stammt, ist bereits gefunden. Eine Inschrift respektive Plakette ist noch zu gestalten. Ob der Sorguesplatz der richtige Ort wäre? Oder der Friedhof? Für den Friedhof spricht, dass es der gemeinhin anerkannte Ort ist, um der Toten zu gedenken. Andererseits spricht manches für ein sichtbareres Erinnern, mitten im Dorf, unter den Menschen - so, wie man es von den Stolpersteinen kennt. Auf dem Friedhof wäre ein Gedenkstein der öffentlichen Wahrnehmung ein Stück weit entzogen. Auch das Werk von Schunk wäre ein möglicher Ort. Schunk ist der Nachfolger des Unternehmens Dönges im Krofdorfer Norden, einem Hersteller von Kohlebürsten und Bürstenhaltern, die in Elektromotoren Verwendung finden. Dort war ehedem die Mehrzahl der nach Krofdorf verschleppten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt. Die heutige Unternehmensleitung hat sich, so konnte Bender berichten, sehr offen gezeigt, dieses dunkle Kapitel der Firmengeschichte aufzuarbeiten. Wo also ein Ort des Erinnerns geschaffen wird, so verblieb man im Kulturausschuss, das will man noch abschließend erörtern.