Wo im Kreis Gießen ein Urwald von morgen entstehen könnte

Der NABU fordert, die Ausweisung neuer Naturwälder im Kreisgebiet voranzutreiben. Geeignet wäre vor allem ein Gebiet in Wettenberg.
Wettenberg – Es geht um den Urwald von morgen. Seit Jahren fordert der NABU, mehr Flächen als Naturwälder auszuweisen, in denen Forstwirtschaft komplett eingestellt wird, um dadurch mehr zur Erhaltung der Artenvielfalt zu unternehmen.
Der Effekt der Schaffung von Naturwälder sei enorm, sagt Mark Harthun, Geschäftsführer Naturschutz beim NABU-Landesverband. »In einem bewirtschafteten Wald gibt es durchschnittlich 50 Lebensraumstrukturen«, erklärt er. »In einem Naturwald 300.«
NABU: Positives Beispiel Naturschutzgebiet Langder Wald
Als positives Beispiel in der Region nennt Harthun das Naturschutzgebiet Langder Wald und Silbachtal, das sich im Ausweisungsverfahren befindet. Dort ist eine 1050 Hektar große Fläche als Wildnis vorgesehen. Eine gute Initiative, sagt Harthun. Allerdings sei dort noch zuviel Jagd möglich, die Beruhigung des Areals werde nicht gewährleistet.
Harthun nennt vier weitere Gebiete in der Region, die als Naturwälder prädestiniert seien. Er weist auf eine Fläche im Krofdorfer Wald in direkter Nachbarschaft zum Dünsberg hin, die sich durch viele alte Eichen auszeichnet. Eichen würden in bewirtschafteten Wäldern nach 120 bis 140 Jahren gefällt, haben aber eine normale Lebensdauer von 400 Jahren, sagt Horthun. »Solche Bäume sollten die Menschen auch erleben können.«
Wälder in Krofdorf und im Vogelsberg laut NABU prädestiniert
Der Oppershofener Wald bei Rockenberg mit seinen 286 Hektar könnte ebenfalls aus der Bewirtschaftung genommen werden, ergänzt Harthun. Dort gibt es bereits ein Naturwaldreservat von 25 Hektar. Das hohe Alter der Bäume komme dort beispielsweise den Fledermäusen zugute.
Am Rand der Wetterau im westlichen Vogelsberg gibt es zudem den Stornfelser Wald mit 711 Hektar. Er zeichnet sich durch seine unterschiedlichen Höhenlagen, nahrungsreiche Bodentypen und große Bäume aus. Ebenfalls im Blick habe man den Oberwald im Vogelsberg mit seinen 1179 Hektar. Angesichts des Klimawandels müsse man der Vegetation die Möglichkeit geben, in höhere Regionen zu wandern, sagt Harthun.
NABU sieht noch viel Luft nach oben
Um die Artenvielfalt in Hessen zu bewahren, hat die Landesregierung vor sieben Jahren die Hessische Biodiversitätsstrategie ins Leben gerufen. Im Rahmen des Programms sollten bis Ende 2020 deutliche Verbesserungen beim Schutz der Wälder erreicht werden. Der NABU Hessen hat nun eine Bilanz gezogen: »Hessen hat trotz großer Entwicklungen im Waldschutz seine gesetzten Ziele nicht erreicht. Dabei könnte im waldreichen Bundesland ohne großen Aufwand mehr für den Waldschutz getan werden«, erklärt der Landesvorsitzende Gerhard Eppler.
So habe Hessen bislang nur 3,9 Prozent statt fünf Prozent Naturwälder ausgewiesen. Anstatt die noch nötigen Flächen einfach im Staatswald abzustecken versuche das Land seit drei Jahren, das Ziel mit Appellen für einen freiwilligen Nutzungsverzicht bei kommunalen und privaten Waldbesitzern zu erreichen.
Bei der bundesweiten Vorgabe, zwei Prozent der Landesfläche als Wildnisgebiete mit einer Fläche von jeweils mehr als 1000 Hektar auszuweisen, liegt Hessen noch weiter zurück. Bislang wurden, so bedauert der NABU, auf gerade einmal 0,5 Prozent der Fläche für Wildnisentwicklung geeignete Gebiete eingerichtet. »Auch bei der Zertifizierung aller hessischen Wälder nach ökologischen Kriterien wurden statt 80 Prozent erst 42 Prozent erzielt«, sagt Eppler. Er fügt hinzu: » Es ist ist noch viel Luft nach oben.«.
Der Nationalpark Kellerwald-Edersee ist 5700 Hektar groß, 95 Prozent der Fläche ist Naturzone und auch dort gibt es Urwald.