„Lesbos 2.0“ – Zwei Schwestern aus dem Kreis Gießen helfen wieder Flüchtlingen in Not

Wieder machen sich die zwei Schwestern aus dem Kreis Gießen auf, um Flüchtlingen auf Lesbos zu helfen. Tonnenweise Hilfsgüter nehmen sie diesmal aber nicht mit – um die Wirtschaft vor Ort zu stärken.
Wettenberg/Lesbos – Es ist acht Monate her, dass Lara und Lucie Gruber von ihrer ersten Reise nach Lesbos zurückgekommen sind. Drei Tonnen Hilfsgüter und Geldspenden hatten sie im vergangenen Oktober dabei, um das Leid der auf der griechischen Insel gestrandeten Geflüchteten ein wenig zu mildern. »Mit Humanität und menschlicher Würde hat dieser Ort wenig zu tun«, sagten sie, als sie wiederkamen, und berichteten eindrücklich von den Erlebnissen.
Ehrungen und Preise waren die Folge, die Hilfsaktion der Gruber-Schwestern fand breites Echo und große Anerkennung.
14 Tage bleiben Schwestern aus dem Landkreis Gießen auf Lesbos
»Die vergangenen Monate ist es uns schwergefallen, die Füße stillzuhalten«, sagen sie. Seitdem hätten sie alles getan, was von Deutschland aus und während einer Pandemie möglich gewesen sei, um die Geflüchteten weiterhin zu unterstützen. »Eigentlich ist unsere Reise nach Lesbos nie zu Ende gegangen.«
Nun wollen die beiden Schwestern aus Krofdorf-Gleiberg erneut auf die Insel, 14 Tage wollen sie bleiben. »Lesbos 2.0« haben sie ihre geplante Hilfsaktion genannt. Am 12. August soll sie starten, in knapp acht Wochen also. Gemeinsam mit acht Gleichgesinnten aus Köln, Münster und Kassel wollen sie aufbrechen. Diesmal soll es jedoch nicht mehr mit Transportern über den Land- und Seeweg gehen. Die beiden jungen Frauen wollen diesmel nur Geld- und keine Sachspenden sammeln und nach Lesbos fliegen. Somit spare man die teuren Fähr- und Reisekosten und könne mit Einkäufen auf der Insel die dortige Wirtschaft unterstützen, die durch die Flüchtlingsproblematik stark eingebrochen ist. So kommen etwa kaum noch Touristen nach Lesbos, erzählen die beiden.

Für ihr neues Unterfangen haben Lara und Lucie Gruber ein Spendenkonto eingerichtet; alle Beträge, so sagen sie, kommen zu 100 Prozent bei den Geflüchteten an. Ihr Plan ist es, Medikamente vor Ort zu kaufen oder Einkäufe im Supermarkt zu bezahlen. Aber auch anfallende Arztkosten wollen sie übernehmen. Selbst größere Investitionen in bessere Camp-Bedingungen, etwa in bessere Sanitäranlagen, sind je nach Spendenaufkommen denkbar. Auch für den Fall eines so großen Geldsegens, dass nicht alles ausgegeben werden kann, haben sich die beiden Gedanken gemacht. In diesem Fall schwebt ihnen vor, Unterkünfte auf Dauer für Familien mit besonderem Schutzbedarf zu mieten oder Anwaltskosten für bedürftige Familien zu übernehmen.
Schicksale von Lesbos lassen die Schwestern aus dem Landkreis Gießen nicht los
Als sie im Oktober auf Lesbos waren, waren es die vielen Schicksale, die sie bewegt und bis heute nicht losgelassen haben. Etwa das der syrischen Familie Al Sbih. Seit sieben Jahren ist diese Familie mit ihren fünf Kindern auf der Flucht. Die Grubers kämpfen nun darum, die Familie nach Deutschland zu holen. Die beiden ältesten Söhne sind bereits hier, der Vater braucht dringend eine Herzoperation, um weiterleben zu können. Mit dem Preisgeld, das sie jüngst von der Bürgerinitiative Mittelhessen für ihr Engagement erhalten haben, finanzieren sie aktuell Anwaltsgebühren in Athen.
»Auf dieser Reise haben wir vieles dazugelernt«, finden die beiden klare Worte, »nämlich dass in der Bürokratie zahlreiche Verbrechen begangen und Geflüchtete nicht über ihre Fristen und Rechte informiert werden, sondern zum Spielball zwischen der Türkei und Europa werden«. Nur wer auf dem letzten Stück der Reise, auf dem griechischen Festland, noch mehrere Tausend Euro für Anwalt und Lebensunterhalt sowie alle Papiere beisammen hat, habe eine reale Chance, die Willkür der Flüchtlingspolitik zu umgehen, sagen die jungen Frauen.
Schwestern aus dem Landkreis Gießen: Die Zustände im Camp auf Lesbos haben sich verschlechtert
Die Zustände im Camp hätten sich seit Oktober gar noch in jeder Hinsicht verschlechtert. Geflüchtete, so erzählen sie, hätten ihnen von nächtlichen Deportationen ins Ungewisse, in andere Camps, geschrieben.
Nun ist nicht nur auf der griechischen Insel Lesbos die Situation Geflüchteter menschenunwürdig. Dennoch wollen die beiden erneut dort helfen, »da wir uns dort ein wenig auskennen und Routine entwickeln konnten, auf die wir aufbauen wollen«.