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Kabarett mit Langzeitwirkung

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Von: Volker Mattern

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Martin Gärtner bringt »Kreislermania« in den KuKuK. © Volker Mattern

Wettenberg (m). »Tauben vergiften im Park« - bissig, ironisch und womöglich ein Stachel im Fleisch der Tierschützer, zumindest bei den Verblendeten unter ihnen, die diesen Song über die »Ratten der Lüfte« womöglich für bare Münze nehmen. Das Lied von Georg Kreisler hat sich Martin Gärtner zu eigen gemacht und seinen Beginn etwas umgedichtet: »Schatz der Abend ist wunderschön, wolln wir nicht rüber zum KuKuK gehen.

« Na, das hatte man sich offenbar nicht zweimal sagen lassen.

Die Kunsthalle des KuKuK (Kunst- und Kulturkreis Wettenberg) war ausverkauft und knüppelvoll. 130 Gäste konnte die Vorsitzende Barbara Yeo-Emde begrüßen und freute sich auf das, was kommen sollte: Ein Abend mit Martin Gärtner, mit dem sie viele Jahre am Stadttheater Gießen zusammengearbeitet hat, was sie als wohltuend und angenehm empfunden habe, wie sie verriet.

Immenses Tempo

Der Kabarettist, Musiker, und Allrounder gestaltete mit seinem Programm »Kreislermania« zwei Stunden, die alles andere als schwermütig waren, die den Gästen gefielen, wie immer wieder aufbrausender Applaus zeigte. Kleinkunst vom Feinsten wurden geboten, mit all seinen Attributen. In der Tat, »viel Text und schnelles Singen« kennzeichnen viele der Stücke des bekannten österreichischen Chansoniers und Liedermachers, Georg Kreisler, dessen Werke auch nach seinem Tod vor elf Jahren weiterleben - auch dank Martin Gärtner, der sich den besonderen Herausforderungen gerne stellte. Oft - und daran hat sich nichts geändert - weiß man eben nicht, was wollte uns Kreisler sagen, wollte er uns überhaupt etwas mitteilen und deshalb, so Martin Gärtners Empfehlung: »Lassen sie die Beiträge einfach auf sich wirken, auch wenn sie vermeintlich keine Wirkung erzielen - oft kommt diese erst viel später.«

Die Liste der Kreisler-Lieder und Chansons ist lang und abwechslungsreich. Der Wirbel aus Themen wie Tod und Vergänglichkeit, Alltagsbewältigung, Weltschmerz, die Paarbeziehung, Politik und Gesellschaftskritik mündet in einem frivolen Strudel aus Liebe, Erotik und ein bisschen Sex. Zum Aufwärmen gab es erst mal »18 Jahre«, aber mit der dort besungenen »Liebe auf den ersten Blick« wurde keine Antwort gefunden auf die Frage, ist diese besondere Form der Liebe Mythos oder Realität. Lediglich, dass das Warten eine als Tugend ist, durfte man lernen. Dem »Kapitalistenlied« folgte das »Lied von der Freiheit«. Hier zeigte sich besonders der Anspruch an das Können am Klavier, gepaart mit der Konzentration auf den Text und das Ganze in einem immensen Tempo gesungen und gespielt und mit einer Mimik geschmückt, wo man meinte, alles ein Kinderspiel. Sicher nicht, aber Gärtner ließ als grandioses Talent all diese Herausforderungen bei diesem Stück zu einem Guss verschmelzen. Beim »Lied vom Blumengießen« wird die Gleichgültigkeit so mancher Zeitgenossen angesichts des Elends auf dieser Welt aufs Korn genommen. Gärtner: »Auch wenn solche Stücke schon älter sind, sie sind immer aktuell.«

Kreisler war Jude und wenn das Programm sich um diesen Kabarettisten dreht, dann muss die »Telefonbuch-Polka« auch mit einer Mischung aus jiddischem Ideom und Wiener Schmä gesungen werden. Auch hierbei geriet Kleinkunst zur Vollendung. Es ging aber auch melancholisch: »Der traurige Clown«, dem Lieder aus der Kategorie »Natur« folgten und dann Alltagsthemen mit viel schwarzem Humor.

Der »Bluntschli« - weiter mysteriös

Der Brückenschlag zur Politik mit Passagen ging auch mal unter der Gürtellinie, wenn beispielsweise »der Furz zum Gesetz mutiert«. Lieder von und über Frauen und hier besonders einer, die das wahre Glück verpasst und nur für Kreuzworträtsel einen Sinn hat. Im letzten Teil des Programms konnte die Frage, was denn der ominöse »Bluntschli« ist, leider wieder nicht beantwortet werden.

»Wie schön wäre Wien ohne die Wiener«, hatte sich Georg Kreisler ausgemalt und vertont und mit dieser Hassliebe, die ihn mit seiner Heimatstadt verband, schmückte auch Gärtner seinen Auftritt. Noch vor der Zugabe am Schluss die Parodie von Kreisler auf den schweizerischen Nationalhelden Max Frisch, »Sodom und Andorra«. So ging ein Abend zu Ende, der alle Facetten der gehobenen Kleinkunst umfasste und die Erwartungen mit Sicherheit übertraf.

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