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Immobilien im Kreis Gießen: „Schlimm, wenn sich nicht einmal mehr Krofdorfer Krofdorf leisten können “

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Ein begehrter Wohnort: Krofdorf-Gleiberg. © Ruediger Sossdorf

Die Immobilienpreise kennen derzeit nur einen Weg: Nach oben. Sehr zum Leidwesen junger Familien, die ein Haus kaufen wollen. So wie die Arnolds aus Krofdorf.

Ein Haus in Krofdorf verkauft man nicht. Diesen Satz haben Johanna und Patrick Arnold nicht nur einmal gehört. Seit gut drei Jahren ist die junge Familie, mittlerweile mit zwei Kindern, auf der Suche nach einem eigenen »Nest«. Ohne Erfolg. Denn der Markt ist weitgehend leergefegt. Es gibt wenig Gebraucht-Immobilien, die veräußert werden. Und wenn, dann gehen sie nicht selten fix »unter der Hand« weg. Ohne Makler, ohne Anzeige in der Zeitung oder den Online-Portalen. Einfach durch Mundpropaganda.

Das ist nicht nur in den drei Wettenberg-Dörfern so. Ähnlich sieht es auch in anderen Orten im Gießener »Speckgürtel« aus. In Heuchelheim, in Linden und mit leichten Abstrichen in Biebertal, Buseck, Fernwald, Lollar, Staufenberg und Pohlheim.

Immobilien in Wettenberg: Lage im »Speckgürtel« von Gießen

Seit Jahren hält der »Run aufs Betongold« an. Immobilien als Alterssicherung oder Wertanlage sind in der Niedrigzinsphase gefragt. Das zeigt der jüngst vorgestellte Marktbericht vom Amt für Bodenmanagement.

Ein Einfamilienhaus kostete vergangenes Jahr im Kreis Gießen im Schnitt 267 000 Euro. Das sind 24 000 Euro mehr als 2019. In Wettenberg investierten die Käufer durchschnittlich 369 000 Euro. Also rund 100 000 Euro mehr als in anderen Kommunen - kreisweit mit Lich an der Spitze.

Immobilien in Wettenberg (Kreis Gießen): 369 000 Euro - im Schnitt

»Was man hier auf dem Wohnungsmarkt erlebt, ist eine Katastrophe«, klagt Johanna Arnold. Sie berichtet von einem Gespräch mit einer Maklerin, die ihr sagte: »Das Immobiliengewerbe ist ein Haifischbecken, der Schwächste verliert. In diesem Falle sind das junge Familien.«

Obwohl es ihnen wirtschaftlich nicht schlecht geht, so haben die jungen Leute das Gefühl, momentan keine Chance auf dem Immobilienmarkt in Wettenberg zu haben. Arnold: »Es ist schlimm, wenn sich nicht einmal mehr Krofdorfer Krofdorf leisten können und dann gezwungen sind, hier wegzugehen«. Johanna Arnold kann aus dem Stand weitere junge Familien nennen, die ebenfalls erfolglos auf der Suche sind. Die gebürtige Krofdorferin und ihr aus Launsbach stammender Mann sind tief in der Gemeinde verwurzelt. »Unsere Familie und Freunde leben hier«, sagt sie. Alle sind im Dorf in irgendeiner Form tätig. Sei es beruflich oder in Vereinen. Arnolds Sohn geht hier in die Kita, und sie arbeitet ehrenamtlich in der Kirchengemeinde. »Unser Dorf liegt mir sehr am Herzen«, sagt Johanna Arnold. »Es geht nicht nur um ein Haus, sondern um meine Heimat«.

Immobilien im Kreis Gießen: Vom Wunsch, im Dorf zu bleiben

Branchen-Insider bestätigen die Situation: »Lage, Lage, Lage«, sagt Dr. Thomas Kreiling, Senior-Berater bei IMAXX und seit 22 Jahren im Geschäft. Der Immobilien-Experte verweist auf Wettenbergs ausgezeichnete Infrastruktur mit Stadtbus-Anbindung, Kindergärten und Schulen in jedem Dorf, viel Natur und der Lage vor den Toren von Gießen. Er erinnert daran, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Da es nur wenig am Markt gebe, könnten teils durchaus Liebhaber-Preise erzielt werden, die über dem tatsächlichen Sachwert eines Hauses liegen. In der Tat seien die Preise hoch, der Markt angespannt - aber es sei »ein nachhaltiger, gesunder Markt«, unterstreicht Kreiling. Die dank eines guten Masterplans der Politik erarbeitete Attraktivität der Gemeinde wirke sich auf die Wertsteigerung der Immobilien aus.

Das freistehende Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche auf 750 oder 800 Quadratmetern Grund, das sei die »Königsdisziplin« auf dem Markt und habe eben einen Preis, der schnell bei 500 000 Euro liegen könne. Aber, so gibt Kreiling zu bedenken: Heute kaufe man nicht teurer als vor 20 oder 40 Jahren. Die Einkommen seien gestiegen. Und während vor einer Generation die Bank an damals höheren Zinsen verdiente, bekomme das heute der Verkäufer durch einen höheren Preis. Angesichts niedrigster Zinsen halte sich dies für Käufer in etwa die Waage.

Immobilien im Kreis Gießen: Das sagen die Fachleute

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Gerd Bath, Vorstand der Volksbank Wißmar. Er verweist auf ein weiteres Phänomen, dass es nicht nur in Wettenberg gibt: Bauplätze werden in Privathand aufgehoben. Für Kinder oder Enkel. Und eine bessere Verzinsung als auf Bauland gibt es kaum. Auch das verknappe das Angebot. Er könnte sich vorstellen, dass frisches Bauland für junge Familien die Situation in Kommunen wie Wettenberg etwas entspannen könnte.

Kann die Gemeinde also helfen? Anders als beim Bauland sind die Einflussmöglichkeiten der Kommunalpolitik auf die Marktentwicklung bei Bestandsimmobilien eher limitiert. Zwar kann man ein Leerstandskataster aufbauen und prüfen, mit welchen Instrumenten ungenutzter Wohnraum aktiviert werden kann. Durch Zuschüsse etwa. Über solche Wege will auch die neue rot-grüne Koalition in Wettenberg nachdenken.

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