Geschmeidig und wohlklingend

Wettenberg (kdw). Kleinkunst im Kunst- und Kulturkreis (KuKuK)? Das geht auch wieder, erlebten die Besucher des poetisch-komödiantischen Abends in der Kulturhalle des Vereins. Helga Liewald am Klavier und Achim Weimer präsentierten ihr Programm »Der Mensch, solange er noch lebt«. Ihre Mischung aus einfach und nachdenklich gefiel den Besuchen sehr.
Ein »humorvolles Abendprogramm aus Poesie, Theater und Chansons« war angesagt, und man sah eine klassische Kleinkunstbühne mit Kleiderständer, Klavier und Schreibwerkstatt vor zwei sehr eleganten Bildern von Reiner Packeiser - wie geschaffen für eine szenische Lesung. Seit zwei Jahren habe man versucht, diese Vorstellung zu veranstalten, »und jetzt geht es endlich«, freute sich Barbara Yeo-Emde, Vorsitzende des KuKuK in ihrer Begrüßung.
Verschnörkelt, fast schwerblütig
Helga Liewald, man merkt es sofort, ist eine in Gesang und Schauspiel kompetente und erfahrene Bühnenfrau, die routiniert begleitet und mit ihrem angenehm weichen Sopran die Chansons singt. Achim Weimer, in Wißmar geboren, Autor, Regisseur und erfahrener Darsteller, gründete 2015 in Gießen das renommierte Tinko-Kindertheater, er ist inzwischen im Tinko-Unternehmenstheater tätig.
Der Rahmen: »Judith und Lysander« entwickeln ein neues Programm und probieren neue Texte und Lieder aus, dabei entwickeln sich zwischen ihnen natürlich Dialoge. Weimer hat die Rolle des Autors und stellt Liewald seine Texte vor, auch Gedichte, ihr fallen Melodien ein. Allgemeine Themen tauchen da auf, in einem Gedicht über »sinnlos weiten Raum« (Das Weltall), und Sorgen: »So lachhaft leicht zerstörbar ist der ganze Planet.« Es folgt ein Song gegen den Konsum, und man begreift, dies soll ein kritischer Abend werden. Dazu gehört auch ein Song über Autos, ziemlich banal allerdings - was ist über Autos und Verkehr auf der Bühne noch nicht gesagt worden?
Die Songs und Liewalds Gesang sind aber angenehm geschmeidig und wohlklingend. Als nächstes ein Lied über den Pizzaservice, den beide gleich mal anrufen wollen. Weimer wirft ein »Höhenluftgedicht« ein, und die beiden überlegen, ob sie nicht ’ne Bank überfallen sollen. Das proben sie dann auch, klischeehaft passend verkleidet, und Liewald spricht den Text auf Sächsisch. Noch ein »Höhenluftgedicht«, und dann kommt Weimer zu seinem Lieblingsthema, dem Wald. Das klingt leicht schwülstig, verschnörkelt, fast schwerblütig. »Hast du das bei Eichendorff abgeschrieben?«, fragt sie respektlos, und das ist einer der wirklich witzigen Momente des Abends. Die nächste Frechheit kommt über einen Song, den er vorschlägt: »Das klingt ja wie Schlagerstadl«, wendet Liewald skeptisch ein.
Inhaltlich zieht die Show eher langsam an, aber vom Timing und Duktus her ist die Bühnenerfahrung des Duos nicht zu übersehen, die Pointen sitzen sicher, auch wenn sie klein sind, und es besteht ein gewisser Fluss. Richtig nett wird es, wenn die beiden sich auf eine Bank in der Bühnenmitte setzen, ihre Distanz von links nach rechts aufgeben und zusammen agieren. Da entsteht gleich eine milde Spannung, und die Sache mit dem Kippen der Bank, ein alter Slapstickgag, funktioniert perfekt. Auch ein Stimmungsschwenk ins Traurige klappt später gut.
Das Problem sind die Texte. Einerseits sind sie in Versform, doch das Metrum wird stets leicht oder brutal vergewaltigt. Das kann man mal machen - Bob Dylan bekam damit sogar den Nobelpreis -, aber die Texte hängen sich so genau in der Mitte zwischen Lyrik und Prosa auf, sie wirken eher repariert und sterben, auch wenn der Einfall gut war. Das geht ins Banale, gut, da liegt auch oft große Komik, aber diesen Wechsel schafft Weimer eben nicht. Zumal er häufig in eine Art Kopfstimme verfällt, eine alternative Figur vielleicht, die dramaturgisch nicht einleuchtet und vor allem schlecht verständlich ist; ein Eigentor.
Das Publikum, froh darüber, dass endlich mal wieder was los war, freute sich durchaus über das Ganze, und der Veranstalter freute sich über ein volles Haus.