Für mehr bezahlbaren Wohnraum
Wettenberg (so). »Es ist einer der wichtigsten Punkte auf der ganzen Tagesordnung - und wird dann erst zum Schluss aufgerufen«, ärgerte sich eine Koalitionsabgeordnete in der Wettenberger Gemeindevertretung. Zumal zu diesem Zeitpunkt, kurz nach 22.30 Uhr am Donnerstag vergangener Woche, ein Teil der CDU-Opposition die Sitzung bereits verärgert verlassen hatte.
In der Tat hat der Tagesordnungspunkt 29 (von 31) mit dem etwas sperrigen Titel »Wettenberger Baulandbeschluss - soziale Gemeindeentwicklung sicherstellen« durchaus das Potenzial, in naher Zukunft noch für kräftige Diskussionen zu sorgen. Denn SPD und Grüne, die in Wettenberg die Mehrheit stellen, wollen mit einer Bauland-Richtlinie Investoren künftig den Bau von bezahlbarem Wohnraum auferlegen.
Warum? Bauland ist ein rares und damit teures Gut - in den Gießener Umlandgemeinden allzumal. Das wirkt sich auch auf die Mietpreise aus, die von den Eigentümern aufgerufen werden. In Wettenberg will man da in der Zukunft stärker steuernd eingreifen. Das Ziel: Mehr bezahlbaren Wohnraum für Normalverdiener auf dem Markt verfügbar zu haben.
»Das bloße Bereitstellen von Baugrundstücken durch das Ausweisen neuer Flächen reicht nicht aus, um die gewünschte Wirkung zu erzielen«, sind sich die Fraktionsvorsitzenden Ulrich Ellinghaus (SPD) und Matthias Schulz (Grüne) einig. Und sinnen auf Steuerungsinstrumente, um eine, wie sie es formulieren, sozial gerechte Bodennutzung zu erreichen.
Max. 7,50 Euro je Quadratmeter
Konkret sollen Bauherren nach dem Willen von Rot-Grün ab einer bestimmten Projektgröße verpflichtet werden, auch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Koalitionspartner denken sogar noch einen Schritt weiter, nämlich an das verpflichtende Schaffen von barrierefreiem Wohnraum.
Die Bauland-Richtlinie, so schlagen SPD und Grüne vor, soll folgende Aspekte festschreiben: Ab einer bestimmten (noch zu definierenden) Projektgröße sollen mindestens 25 Prozent der neu zu schaffenden Wohnungen als so genannter bezahlbarer Wohnraum bereitgestellt werden. Rot-Grün denkt da an eine Miete von maximal 7,50 Euro je Quadratmeter. Zudem sollen Bauträger zur anteiligen Übernahme der Kosten für soziale Infrastruktureinrichtungen verpflichtet werden, beispielsweise die anteilige Übernahme der Folgekosten für Kindertagesstätten, Auf diese Weise könne ein Teil der durch die kommunale Bauleitplanung entstehenden beträchtlichen Bodenwertsteigerung abgeschöpft und im Gemeinwohlinteresse nutzbar gemacht werden, erläutert Ulrich Ellinghaus. Dies funktioniert andernorts auch, verweist er zum Beispiel auf die »Folgekostenrichtlinie« von Nauen in Brandenburg. Das Städtchen im Havelland ist kaum größer als Wettenberg.
Um eine Verbindlichkeit zu schaffen, soll die Bauland-Richtlinie Grundlage sein, wenn für ein Vorhaben ein Bebauungsplan aufgestellt oder ein städtebaulicher Vertrag abgeschlossen wird.
Bis diese neue Richtlinie erarbeitet ist und zur Anwendung kommt, soll schon möglichst bald bei Investoren-Projekten, die mehr als sieben Wohnungen schaffen, sichergestellt werden, dass jede vierte Wohnung als »bezahlbare Wohnung« vermietet wird.
Als der Antrag in der vergangenen Woche zu vorgerückter Stunde in der Gemeindevertretung aufgerufen wurde, ist er sogleich zur vertiefenden Beratung in die Fachausschüsse verwiesen worden. Vornehmlich werden es der Infrastruktur- und Bauausschuss, aber auch der Hauptausschuss sein, die sich damit befassen. Aber auch im Sozialausschuss könnte dies zum Thema werden.
Darüber hinaus erwägen SPD und Grüne weitere Schritte: So denken sie zum einen an eine intensivere Bodenbevorratung durch die Kommune, um dadurch mehr Steuerungsmöglichkeiten beim Schaffen von Wohnraum in der Hand zu haben. Zum anderen wäre es vorstellbar, bei Mietshäusern Belegungsrechte zu erwerben, um die Wohnungen dann in Eigenregie zu Quadratmeterpreisen von besagten 7,50 Euro max. zu vermieten. Auch dies soll der Gemeindevorstand prüfen und den Gremien dann zur Entscheidung vorlegen.
»Während der Bauboom anhält, bleibt es für Normalverdiener unverändert schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden«, so Ellinghaus und Schulz zur Begründung. Die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum sei jedoch ein wichtiger Aspekt der kommunalen Daseinsvorsorge. Um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen, sei hier gezieltes und systematische Vorgehen erforderlich, so SPD und Grüne.