Wenn Kuhställe zu Kunsträumen werden

Noch nie gab es so viele Ausstellungsorte, und noch nie haben sich so viele Künstler an der »Kunst in Licher Scheunen« beteiligt, wie das der Fall sein wird bei der bevorstehenden zehnten Auflage. Am 10. und 11. September wird Lich wieder zu einem Publikumsmagneten in Sachen Kunst und Kultur.
Seit zehn Jahren bereits dokumentiert »Kunst in Licher Scheunen«, welch besonderer Charme von der Symbiose alter Gebäude und anspruchsvoller Kunst ausgeht. Die Veranstaltung geht auf eine Idee von Dr. Erhard Roth zurück, zum Tag des offenen Denkmals Kunst im ländlichen Raum sichtbar zu machen. Umtriebig sprach er Besitzer alter Scheunen und Höfe an und konnte so die ersten Hausbesitzer für sein Vorhaben begeistern. Nach und nach hat sich »Kunst in Licher Scheunen« so zu einem festen Datum für alle Kunstinteressierten entwickelt.
»Seit der ersten Veranstaltung ging es immer nur in eine Richtung: Nach oben«, bekräftigt Cornelia Gebauer-Merget bei der Vorstellung des Jubiläumsprogramms. Natürlich gab es im Laufe der Zeit auch Probleme. Initiator Roth ist 2018 verstorben, innerhalb des Organisationsteams kam es zu Unstimmigkeiten.
Die zehnte Veranstaltung (einzig 2020 fielen die »Licher Scheunen« aus) hat wieder allerlei zu bieten: Fast 90 Künstler stellen an mehr als 50 Orten aus. Solch eine Fülle gab es noch nie. Mit dabei sind viele regionale Künstler, aber auch einige, die von weiter her anreisen. Zwar sind in den vergangenen Jahren auch einige Veranstaltungsorte weggefallen, wie etwa die Pastau-Mühle oder die alte Küferei, die stets ein Hingucker war, doch sind auch neue hinzugekommen. In der Oberstadt 35 etwa verwandeln sich nun Kuhstall, Schweinestall und Scheune einer alten Hofreite in eine wunderbare Ausstellungsfläche.
Auch die Wetter-Insel im Schlosspark wird erstmals zum Kunstort: Die Träger der Dr.-Erhard-Roth-Medaille 2021, Axel Willisch und Stefan Gruber, stellen dort ihre drei mächtigen Skulpturen »Die drei Grazien« und »Vom tiefen Träumen« aus. »Jedes Jahr soll ein Kunstwerk hinzukommen, was dauerhaft in Lich zu sehen sein wird«, erläutert Gebauer-Merget.
Die Esel am Rewe-Parkplatz und die bunten Hingucker an der Ampel in der Kolnhäuser Straße sind bereits solche Dauer-Kunstwerke. »Wir möchten auch bei jeder Veranstaltung ein Schwerpunktthema setzen«, verdeutlicht Gebauer-Merget. In diesem Jahr geht es um die Sichtbarmachung von Kunstprozessen. »Besucher sollen zuschauen können, wie Kunst entsteht.«
Das können sie am 10. und 11. September gleich an elf Stationen. Peter Atzbach erläutert den Aufbau einer Federzeichnung in der Stadtbibliothek, mit Quynh Klaus kann man gemeinsam in der Kohlgasse kreativ werden, Walter Pfefferle zeigt die Entwicklung von analogen Fotografien im Don-Bosco-Saal, bei der Edition Noir gibt es Vorführungen von der Arbeit an der Druckerpresse in der Oberstadt, Dagmar Abresch zeigt Flowerpounding in der Wurstfabrik, bei Ruksana Kausar im Don-Bosco-Saal dreht sich alles um Henna-Tattoo und Bodypainting, der Maler Josef Krahforst gestaltet eine Fassade in der Hintergasse, Patrick König fertigt feine Lederarbeiten im Innenhof des Holländischen Hofs an, im Marstall gibt es bei Marketa Roska Zeichnen und Malen mit den Urban-Sketches und bei Liza Dobrick am Torbogen in der Hintergasse steht ein Mitmachkurs, »KinderArt und Tonarbeiten«, auf dem Programm. Erstmals gibt es am Samstagabend ein »Come together« auf dem Kirchplatz für alle Künstler und Hausbesitzer. Das kündigt Lothar Liebermann vom Organisationsteam an. Denn schließlich haben die Künstler kaum die Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen, wenn sie immer an ihrem eigenen Ausstellungsort bleiben. Auch bei der zehnten Auflage wird eine unabhängige Jury besonders herausragende Arbeiten in den Kategorien Kunst und Kunsthandwerk mit der Dr.-Erhard-Roth-Medaille auszeichnen.