Dirk Haas tritt als Bürgermeister in Buseck ab: „Weniger Ego würde helfen“

Zum Jahreswechsel tritt Dirk Haas als Bürgermeister in Buseck ab. Im Abschlussinterview spricht er über die letzten Wochen im Amt, sein Bild in der Öffentlichkeit und Pläne für die Zukunft. Und er äußert sich zur Frage, warum die Kommunalpolitik so zerstritten scheint.
Herr Haas, am Tag nach Ihrer Wahlniederlage Ende September waren sie »froh und erleichtert«, dass Ballast abgefallen ist. Hält dieses Gefühl an?
Na ja, es gab danach noch Hochs und Tiefs, und natürlich ist man vor der letzten Sitzung noch mal aufgeregt. Aber auch andere Leute haben gesagt: Man merkt mir deutlich an, dass ich wesentlich entspannter bin.
Ihr Nachfolger Michael Ranft ist schon vereidigt, übernimmt im neuen Jahr. Wie kann man sich die Übergangszeit der letzten Wochen vorstellen?
An sich hätte ich nach der Wahl gar nicht mehr kommen brauchen, ich hatte mehr als genug Urlaubstage übrig. Aber natürlich hat man einen Anspruch an sich selbst, deshalb bin ich weiter annähernd täglich hier gewesen - mit angezogener Handbremse: Es gilt, laufende Projekte weiterzuführen, aber neue Sachen anzustoßen, ergibt dann nicht viel Sinn. Mein Nachfolger und ich haben längere Gespräch geführt, die IT für ihn eingerichtet, damit er zum Jahresbeginn gleich loslegen kann. Er wird dann auch den Haushalt einbringen. Ich habe ihm Informationen zu den wichtigsten Themen gegeben, er war auch eingeladen zu einer Besprechung mit Planern zum Freibad Großen-Buseck.
Amtszeit in Buseck endet: Dirk Haas blickt auf die letzten Tage als Bürgermeister zurück
Die Freibad-Reaktivierung war ein Herzensprojekt von Ihnen. Wie bitter ist es, dass Sie es auf den Weg gebracht haben, aber nicht umsetzen konnten?
Das Wichtige ist doch, dass es gemacht wird. Wer nachher ins Wasser springt oder das Seilchen bei der Eröffnung durchschneidet da fehlt mir die Eitelkeit.
Würden Sie insgesamt sagen, dass Sie mit Herrn Ranft in der Übergangszeit in gutem Dialog waren?
Ja, in der Hinsicht haben wir keine Probleme. Von der Art her sind wir sehr unterschiedlich: der »Macher« und der »Moderator«. Das wurde ja auch bei der Verabschiedung so dargestellt. Er hat seine Stärken woanders als ich, das ist so. Ich glaube, wir haben in den sechs Jahren mit mir als Macher viel gemacht - jetzt ist vielleicht auch mal wieder Zeit, das Gemachte zu moderieren.
Als scheidender Bürgermeister haben Sie nun vieles zum letzten Mal getan. Wie haben sich die letzten Tage als Chef im Schloss angefühlt?
Gerade mit den Mitarbeitenden, mit denen ich engen Kontakt hatte, ist das schon emotional. Die Mitarbeiterinnen im Vorzimmer haben mir immer den Rücken freigehalten. Ohne sie hätte ich sicher manches nicht auf die Reihe bekommen. Es gab eine gute Kollegialität in der Verwaltung. Ich habe immer versucht, nicht der typische Chef, sondern Teil der Gruppe zu sein. Die Kitas, wo ich auch immer mal zum Vorlesen war: Das wird fehlen. Was mir auch fehlen wird, ist die gute Zusammenarbeit mit den Bürgermeisterkollegen. Das hat wirklich Spaß gemacht.
Scheidender Busecker Bürgermeister: „Ich bin mit meinem Werk zufrieden“
Wird es Ihnen fehlen, den Einfluss eines Bürgermeisters zu haben?
Nein. Ich freue mich, wenn ich Aufgaben habe, wo ich etwas nach vorne bringen, Visionen verwirklichen, Ideen umsetzen kann. Aber als Bürgermeister war ich auch immer stolz, wenn ich irgendwo einen Handlauf anbringen konnte, um Senioren das Leben zu erleichtern. Das sind Dinge, die mir wichtig sind. Ich brauche keine Bauten, die Leuchttürme sind. Ich bin mit meinem Werk zufrieden.
Der Wahlkampf war teils hart. Der Betrug durch einen Ex-Mitarbeiter wurde immer wieder zum Thema gemacht, wenn auch nicht unbedingt von Ihrem Nachfolger. Wirkt das bei Ihnen noch nach?
Mit den Leuten, die den Wahlkampf hart geführt haben, habe ich in Zukunft nichts mehr zu tun. Insofern: alles gut. Ich kann mir jetzt aussuchen, mit wem ich im Kulturzentrum sitze.
Gibt es Punkte, wo Sie denken: Wenn ich das im Wahlkampf anders gemacht hätte, hätte ich vielleicht gewonnen?
Nicht im Wahlkampf. Ich mache mir Gedanken darüber, was ich in meiner Amtszeit womöglich hätte anders machen sollen, um wiedergewählt zu werden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich dann mit meiner Arbeit zufrieden gewesen wäre.
Was meinen Sie damit?
Man hat mir vom ersten Tag an gesagt: Du musst viel mehr auf Geburtstage gehen. Du darfst nicht im Gemeindeblättchen schreiben, dass die Leute ihre Hecke schneiden sollen. Deine Aufgabe ist es nicht, Leute aufzuschreiben, die unberechtigterweise auf einem Behindertenparkplatz stehen.
Wer sagt das?
Das kam aus meinem Umfeld. Ich habe gesagt: Das gehört auch zu meinen Aufgaben. Aber hätte ich das so gemacht, wäre mein Bild in der breiten Öffentlichkeit vielleicht ein anderes gewesen.
Sie meinen also, Sie hätten mehr Präsenz zeigen und - zumindest vor Corona - mehr Hände schütteln müssen, um eine zweite Amtszeit zu bekommen?
Ja, und was irre ist: Man hat gesagt, ich sei zu tief in den Themen drin. Das komme bei den Menschen als Besserwisserei an. Ich kann Ihnen heute einen Vortrag über Bodenqualität, Schadstoffgruppen oder Aufforstung halten. Da heißt es: Nein, das ist nicht die Aufgabe eines Bürgermeisters. Das schaffe Distanz zu den Bürgern. Wäre ich glücklich gewesen, wenn ich es anders gemacht hätte? Ich glaube nicht. Ich bin froh, dass ich in den Themen drin war. Bei mir haben nicht die Fachbereichsleiter die Vorlagen begründet, sondern ich selbst. Das schafft aber das Bild von jemandem, der ein Besserwisser ist.
Noch einmal zum Betrug durch den Ex-Mitarbeiter: Sie hatten ihm auch nach einem ersten Geständnis vertraut, das im Nachhinein als Fehler eingestanden, aber auch betont, dass sie menschlich dazu stehen. Das Thema hat die Kommunalpolitik über viele Monate beschäftigt. Wie schauen Sie heute darauf?
Mich beschäftigt das gar nicht mehr.
Ist das wirklich so?
Ich finde es schade für die Mitarbeiter im Haus, die haben darunter gelitten. Ansonsten ist das Thema für mich schon lange durch - und anscheinend auch für die anderen. Das war ja nur bis zum Wahltag Thema, danach nicht mehr, auch nicht im Parlament. Bis dahin wurde es hochgekocht, und ab dem Tag, an dem ich nicht wiedergewählt worden bin, hat es niemanden mehr interessiert.
Was schließen Sie daraus?
Nichts.
Für Sie ist das Thema also durch - oder wollten Sie dazu noch was sagen?
Nein, ich habe mir darüber sicherlich schon genügend Gedanken gemacht, und das schon ganz am Anfang. Und ich wäre schon viel länger aus dem Thema raus, wenn die Presse nicht ständig daran rühren würde.
Das gehört dazu. Die Busecker Kommunalpolitik schien zuletzt tief gespalten zwischen FW und CDU einerseits und andererseits vor allem der SPD, im Wahlkampf wie im Parlament. Haben Sie auch in Buseck ingesamt den Eindruck, dass es eine Spaltung gibt?
Sie sind ja auch bei manchen Sitzungen dabei. Wie viele Gäste sind da?
In der Regel sehr wenige, leider.
Für wen werden diese Kämpfchen eigentlich ausgefochten? Für die Pressevertreter, die dann was zu schreiben haben? Eigentlich kann man das nicht nachvollziehen. Man könnte - und das war zu Beginn meiner Amtszeit so - harmonisch miteinander umgehen und versuchen, Dinge auf den Weg zu bringen. Die Bürgerinnen und Bürger im Dorf interessieren diese Kämpfchen ganz und gar nicht, im Gegenteil: Das ist abstoßend. Und wenn man das Ganze in Zukunft auch noch im Internet präsentieren will, wird es ja noch schlimmer.
Kommunalpolitik in Buseck: „Weniger Ego würde helfen“
Sie sprechen den Grünen-Antrag an, Parlamentssitzungen per Videostream zu übertragen. Die anderen Fraktionen haben das abgelehnt.
Ja, aber es gibt solche Bestrebungen. Ich glaube, die Menschen im Ort wollen Ergebnisse sehen. Ergebnis war: Ich habe es nicht geschafft, das Freibad zu eröffnen - das heißt, ich habe es nicht auf die Reihe gekriegt. Wie die politischen Diskussionen dahinter sind, kriegen die meisten Menschen doch gar nicht mit.
Aber es sollte doch ein Anliegen der Politik sein, dass Entscheidungsfindungen transparent sind, möglichst viele etwas davon mitbekommen.
Das ist wahr. Aber die Frage ist, ob es die Sitzungen der Gemeindevertreter sind, die Menschen mitkriegen sollten - ich habe ja immer dazu aufgerufen -, oder ob es andere Veranstaltungsarten sind, wo man Menschen mitnehmen kann.
Was meinen Sie damit?
Vor Corona haben wir viele Veranstaltungen gemacht, wo Bürgerinnen und Bürger sich intensiv beteiligt haben, beim Freibad, der Initiative »Buseck blüht auf« oder dem Radwegekonzept. Oft gab es bei diesen Veranstaltungen aber nur eine sehr geringe Beteiligung der politischen Vertreter. Wenn sich Bürger für etwas engagieren, und im politischen Rahmen werden diese Engagements nicht wertgeschätzt; wenn Anregungen aus Workshops nicht angenommen werden, dann führt es zu Verdruss, zu Demotivierung.
Entschieden wird am Ende aber im Parlament. Haben Sie eine Idee, wie man mehr Zuschauer dorthin locken könnte?
Ich war als Bürgermeister immer vorne und musste was erzählen. Sie haben da gesessen und sich das angehört. Jetzt frage ich Sie nach dem Spaßfaktor.
... Mal mehr, mal weniger.
Ich habe ja versucht, dass die Zuschauer mehr Informationen bekommen und Power-Point-Präsentationen eingeführt. Ich habe erklärt: Es geht um dieses oder jenes Grundstück, habe Karten eingeblendet, damit die Zuschauer auf der Höhe dessen sind, was diskutiert wird. Gut, wenn die Leute nicht da sind, nutzt das auch nichts. Man muss vielleicht versuchen, noch mehr dafür zu werben, keine Ahnung.
Was braucht es, um den Ton im Parlament zu verbessern? Weniger Ego?
Ja. Das würde deutlich helfen. Die Leute im Dorf können ja sogar diejenigen benennen, die das eigentliche Problem sind. In allen Parteien gibt es Leute, die die Stimmung aufheizen.
Schauen wir nach vorn. Was steht bei Ihnen jetzt an? Legen Sie erstmal die Füße hoch?
Nein (lacht). Ich habe noch einiges daheim zu machen, was in den letzten sechs Jahren liegen geblieben ist. Am 14. Januar geht’s in den Urlaub, mit meiner Frau vier Wochen nach Südamerika. Ecuador, Galapagos. Und bis zum Ende des Urlaubs mache ich mir Gedanken, was ich vielleicht gern in Zukunft noch machen möchte. Ich bin sicherlich niemand, der zu Hause bleibt und die Füße hochlegt. Ich habe aber noch keine Ideen.
Sie werden doch schon mal überlegt haben, in welche Richtung es geht.
Nein. Ich muss jetzt erstmal meinen Kopf frei kriegen, da bin ich momentan dabei. Dann bin ich auch frei für neue Überlegungen. Ich bin jedenfalls jemand, der keinen herausgehobenen Posten braucht. Es muss nichts mit Dienstwagen sein, sondern eine Stelle, wo ich etwas bewegen kann, wofür ich brenne. Nur irgendwie verwalten, das ist nicht meins. Ich guck mal.