»Weiterwurschteln geht nicht«

Nach der Verabschiedung des Haushalts am Dienstag im Lindener Stadtparlament herrscht weiterhin Unklarheit über den tatsächlichen Personalbedarf in der Rathausverwaltung. Die Hoffnungen richten sich auf eine Analyse des Stellenplans durch Externe. Bürgermeister Jörg König muss sich mit scharfer Kritik auseinandersetzen.
Das Lindener Stadtparlament hat den Haushalt für die Jahre 2022 und 2023 verabschiedet. Das Votum fiel am Dienstag einstimmig aus, bei Enthaltungen von zwei Vertretern der FDP und der SPD. Die Beratungen haben gleichzeitig tiefe Gräben zwischen Bürgermeister Jörg König (CDU) und großen Teilen der Stadtverordnetenversammlung aufgezeigt. Selbst die CDU-Fraktion verweigerte ihrem Parteifreund König die Unterstützung.
Streitpunkt war vor allem das Personal. Dies soll nun mit Mitarbeitern aufgestockt werden, die 4,5 Vollzeitstellen entsprechen. Der Bürgermeister hingegen hatte 14,17 zusätzliche Vollzeitäquivalente gefordert. König verlieh seiner Unzufriedenheit über die nun nur moderate Personalaufstockung Ausdruck. Er habe inzwischen 13 Überlastungsanzeigen von Mitarbeitern erhalten, berichtete er. Der Personalrat habe ihn aufgefordert, Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und zum Abbau von Überstunden zu ergreifen.
Noch in diesem Jahr sollen externe Gutachter den Stellenbedarf und die Personalstruktur in der Verwaltung unter die Lupe nehmen. Dies hat das Stadtparlament nach einem Antrag von CDU, Freien Wählern und Grünen beschlossen.
Angesichts der vom Bürgermeister vorgeschlagenen Ausweitung der Ausgaben beim Personal habe das Stadtparlament die Notbremse gezogen, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dr. Christof Schütz. Das Parlament signalisiere dem Bürgermeister, »dass ein Weiterwurschteln wie bisher nicht geht«.
Der Vorwurf, man würde die Verwaltung und deren Anliegen vernachlässigen oder gar verhungern lassen, treffe nicht zu, sagte Schütz und verwies auf Zahlen. Den Stellenplan habe man von 48,73 Vollzeitäquivalenten im Jahr 2019 auf nun 73,84 aufgestockt. »Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehr als 25 zusätzliche Stellen zugebilligt.« Wenn aus der Analyse hervorgehen sollte, dass weitere Stellen benötigt werden, werde man diese gegebenenfalls in einem Nachtrag beschließen.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende teilte in scharfen Worten gegen König aus. »Wie fühlt sich das an, wenn dem Bürgermeister auf dem wichtigsten Feld seines Handelns, beim Haushalt, von seinen eigenen Leuten auf offener Bühne die Unterstützung versagt wird?«, sagte er. In Richtung der CDU-Fraktion fügte Schütz hinzu, die Verantwortung liege »einzig und allein bei denen, die über Jahre diese ihre Fehlbesetzung gedeckt, schöngeredet und nur hinter vorgehaltener Hand bestätigt haben: Der kann’s nicht«.
Mehrere Missstände in der Rathausverwaltung wie fehlende Ordnung in der Aktenführung und eine fragwürdige Vergabe von Aufträgen, sagte Schütz, seien ein Erbe aus der Zeit des Vorgängers Königs als Bürgermeister, Dr. Ulrich Lenz (CDU). König solle sich der Debatte stellen »und seine eigene Arbeitsmoral überprüfen«.
Klare, den Bürgermeister verteidigende Worte aus den Reihen der CDU blieben eher aus. »Das ist die berühmte Generalabrechnung mit der politischen Situation«, reagierte Thomas Altenheimer, der CDU-Fraktionsvorsitzende. Er appellierte an König, die Beauftragung einer Stellenplananalyse schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, um mithilfe einer Expertensicht die Personalsituation in der Verwaltung zuverlässig einordnen zu können. »Mit einer ständigen Aufstockung und einem Hochtreiben der Personalkosten ist es nicht getan.« Der Haushalt zehre von der Substanz vergangener Jahre. »Das kann nicht ewig so weitergehen«, sagte Altenheimer.
Nach dem Antrag Königs, 14,17 weitere Stellen in der Verwaltung zu schaffen, hatten Anfang des Jahres in einem ungewöhnlichen Schritt CDU, Grüne und Freie Wähler im Rathaus mit Florian Jochim, dem Leiter des Fachbereichs für Zentrale Dienste und Finanzen der Stadt, zusammengesessen. Aus diesem Gespräch war die nun beschlossene Aufstockung um 4,5 Stellen hervorgegangen. Das sei keine Hinterzimmer-Politik gewesen, entgegnete Altenheimer Kritik aus der SPD. »Drei Fraktionen, die in ähnlicher Richtung denken, haben sich zusammengetan. Das war ein normales parlamentarisches Verfahren.«
Der Bürgermeister habe sich klaglos dem Willen von CDU, Grünen und Freien Wählern ergeben und keine weitere Gespräche gesucht, kritisierte Gudrun Lang, die SPD-Fraktionsvorsitzende. Der Fehlbedarf im Verwaltungspersonal sei das Resultat von Sparpolitik »und nicht wahrgenommener Führung«.
Der verabschiedete Haushalt sieht für dieses Jahr Einnahmen von 27,1 Millionen und Ausgaben von 30,2 Millionen Euro vor, für kommendes Jahr sind Einnahmen von 28,3 Millionen und Ausgaben in Höhe von 30,4 Millionen Euro geplant. Somit wird in diesem und kommendem Jahr mit Fehlbeträgen von 3,1 Millionen und 2,1 Millionen Euro gerechnet. Dies sei beunruhigend, sagte Ulrich Weiß von der FDP-Fraktion.
»Wir konnten einmal stolz sein, bis zu 17 Millionen Euro auf die hohe Kante gelegt zu haben, wir haben im kreisweiten Vergleich als vermögende Kleinstadt gegolten.« Das sei vorbei, die Rücklagen seien auf rund 10 Millionen Euro geschmolzen. »Wenn wir weiter so wirtschaften, werden wir in vier bis fünf Jahren unser Schwimmbad schließen oder die Steuern erhöhen müssen.«
Man dürfe nicht länger von den Rücklagen leben, sagte auch Joachim Schaffer von den Freien Wählern.
Der Bürgermeister sei im Parlament immer wieder nicht in der Lage, Fragen zu beantworten und müsse sich den Rat von Mitarbeitern einholen. »Kommen Sie endlich Ihren Aufgaben und Pflichten nach. Leiten und führen Sie Ihre Mitarbeiter«, sagte Schaffer. »Dafür wurden Sie von den Bürgern gewählt, und dafür werden Sie von den Bürgern auch bezahlt.«