Weil jede Minute zählt

Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute. Doch noch immer werden viele Patienten zu spät behandelt. Eine neue Spezialabteilung an der Asklepios-Klinik in Lich soll gegensteuern.
Ein stechender Schmerz in der Brust kann viele Ursachen haben. Einen blockierten Wirbel zum Beispiel. Der wäre eher harmlos. Brustschmerz kann aber auch auf einen Herzinfarkt hinweisen, eine Lungenembolie oder einen Riss in der Hauptschlagader. All diese Erkrankungen sind potenziell lebensbedrohlich; in der Notaufnahme darf keine wertvolle Zeit verloren gehen. Deshalb richtet die Asklepios-Klinik Lich jetzt eine Chest Pain Unit (CPU) ein, eine spezialisierte Notaufnahme ausschließlich für Patienten, die mit Brustschmerz ins Krankenhaus kommen.
Die räumlichen und personellen Voraussetzungen sind in den vergangenen Monaten geschaffen worden. Letzte Woche hat das Team eine Generalprobe mit einem virtuellen Patienten absolviert und alles durchgetestet: Laufen die Geräte? Wissen alle, wo die notwendigen Dinge liegen? Ist klar, wie ich wen im Notfall erreiche? Nun soll die CPU Zug um Zug ihre Arbeit aufnehmen.
Im September 2020 wurde in Lich das Herzkatheterlabor eröffnet. In der neuen Abteilung, die von Prof. Holger Nef und Dr. Matthias Bayer geleitet wird, haben sich die Abläufe mittlerweile eingespielt. Die Einrichtung der CPU ist die logische Folge daraus. »Perspektivisch braucht jedes Haus mit Katheterlabor eine CPU«, sagt Prof. Nef, denn für das Vorgehen bei Verdacht auf Herzinfarkt gebe es klare Leitlinien. In zehn Minuten muss dass EKG geschrieben sein, in 60 Minuten das Laborergebnis vorliegen. Wenn sich der Verdacht auf einen Infarkt erhärtet, hat die Katheteruntersuchung nach spätestens zwei Stunden zu erfolgen.
»Ohne spezielle Unit sind diese Zeitvorgaben nicht einzuhalten«, sagt Nef. Studien hätten gezeigt, dass in Notaufnahmen, die alle Patienten versorgen, Brustschmerz nicht schnell genug behandelt wird. Doch beim Herzinfarkt gelte die Devise »time is muscle«. »Je schneller ein Gefäß wieder geöffnet wird, desto besser ist das für den Erhalt der Herzmuskulatur«, erläutert der Chefarzt.
Für die neue CPU in Lich wurde ein früheres Büro samt Vorraum umgebaut. Jetzt stehen hier, zentral zwischen Notaufnahme, Katheterlabor und Intensivstation gelegen, vier Betten. Die Patienten, die darin liegen werden, sind potenziell gefährdet, deshalb sind alle Plätze für die Monitorüberwachung ausgerüstet. Rund um die Uhr ist eine Pflegekraft zugegen. »Das ist schon ziemlich dicht an dem, was auf Intensiv gefordert wird«, sagt Dr. Bayer über diesen Personalschlüssel. Außerdem stehen ein Arzt und im Hintergrund ein Kardiologe für die Behandlung zur Verfügung. Das Team sei intern für seine speziellen Aufgaben geschult worden, erläutert Bayer. Brustschmerz könne viele Ursachen haben. »Man muss die Krankheitsbilder für die Ausschlussdiagnose kennen.«
Laut Nef bringt der Rettungsdienst täglich ein oder zwei Patienten nach Lich, die aufgrund ihrer Symptome für die CPU in Frage kommen. Doch wenn die allgemeine Notaufnahme voll ist, fahren sie weiter zu einem anderen, entfernteren Krankenhaus. Die Unit soll helfen, Patientenströme zielgerichtet zu lenken.
»Kardiovaskuläre Erkrankungen sind bei uns nach wie vor die Todesursache Nummer 1«, sagt der Chefarzt. »Das zu verhindern, muss unsere Aufgabe sein.« Leider zeigten die Zahlen, dass während der Pandemie viele Patienten erst später im Krankenhaus vorstellig geworden sind oder auch gar nicht. Deshalb sei es dringend notwendig, die Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken und die Wachsamkeit zu schärfen. Wenn Brustschmerz länger anhält, gibt es nur einen Weg: Spätestens nach 20 Minuten die Notrufnummer 112 wählen und sich so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen lassen.