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»Wehre mich gegen Komplettverurteilung«

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Von: Stefan Schaal

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»Wenn ich keinen Pflanzenschutz einsetze, dann weiß ich, dass der Weizen möglicherweise platt im Boden liegt«, sagt Seipp. © DPA Deutsche Presseagentur

Gießen/Münzenberg (srs). Der Präsident des Hessischen Bauernverbands, Karsten Schmal, setzt sich gegen Aussagen des Gießener NABU-Kreisverbands zur Wehr.

Nachdem Tim Mattern vom Vostand des NABU-Kreisverbands in einem Interview mit dieser Zeitung erklärt hat, die Landwirtschaft trage durch den Einsatz von Planzenschutzmitteln eine Hauptverantwortung für das Insektensterben und den Rückgang der heimischen Vogelbestände, erklärt Schmal: »Ich wehre mich gegen die Komplettverurteilung.« Gerade die Landwirte hätten großes Interesse daran, »dass wir Insekten haben, die unsere Pflanzen bestäuben«.

Er könne nicht verstehen, »dass da so einseitig auf die Landwirte gehauen wird«, sagt Schmal. Er behaupte nicht, »dass die Landwirtschaft ganz unschuldig ist«. Für den Rückgang der Insekten- und Vogelbestände seien allerdings auch eine erhebliche Flächenversiegelung, ein erhöhtes Verkehrsaufkommen in den vergangenen Jahrzehnten sowie Lichtverschmutzung verantwortlich. Ein Hintergrund sei zudem, dass die Tierhaltung stark zurückgehe. »Wir haben keine Misthaufen mehr.«

Es sei ein Fehler, den Landwirten die maßgebliche Schuld zu geben. »Im Gegenteil: Ich erlebe in Hessen sehr viel Biodiversität und viele Maßnahmen der Landwirte, um sich für Insektenbestände einzusetzen, wie zum Beispiel Blühstreifen.« Zudem verweist Schmal auf Bestrebungen auch der Landwirtschaft, gemeinsam mit dem Naturschutz auf ein Umlenken in der Agrarpolitik zu mehr Nachhaltigkeit, Tierschutz und Diversität einzuwirken.

Am Rand eines Pressegesprächs hat am Mittwoch auch der Vorsitzende des Kreisbauernverbands, Daniel Seipp, den Äußerungen des NABU zum Insektensterben widersprochen. »Ich will nicht von uns weisen, dass die Landwirtschaft einen gewissen Einfluss hat«, räumt Seipp ein. »Aber ich traue mir persönlich nicht zu, zu sagen, welchen Einfluss daneben die Flächenversiegelung, das Verkehrsaufkommen und die Handystrahlung haben.« Nach dem Start des UMTS-Netzes 2002 sei es zu massiven Einbrüchen bei Insektenbeständen gekommen.

Auch der Klimawandel spiele eine maßgebliche Rolle. Der zunehmend frühe Vegetationsstart und der Spätfrost in den Frühlingsmonaten tragen dazu bei, »dass die Insektenpopulation regelmäßig einen auf den Deckel bekommt«.

Sicher seien Pflanzenschutzmittel »ein wichtiger Baustein« für die Landwirte, erklärt Seipp. »Wenn ich keinen Pflanzenschutz gegen den Ackerfuchsschwanz in meinem Weizen einsetze, dann weiß ich, dass dieser dann möglicherweise platt im Boden liegt und ich den nicht mehr dreschen brauche. Genauso weiß ich, dass meine Blätter absterben, wenn auf ihnen Krankheitserreger wie Septoria tritici sitzen.«

Seipp wehrt sich auch gegen die Aussage Matterns, Landwirte würden sich zum Einsatz von Mitteln drängen lassen. »Da braucht mir niemand etwas aufschwatzen.« Pflanzenschutzmittel unterliegen strengen Kontrollen, fügt er hinzu. »Die meisten Mittel haben für den Menschen die Giftigkeit von Kochsalz und haben keinen negativen Einfluss auf die Insekten.« FOTO: DPA

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