»Was hätten Sie denn gerne?«

Es gibt ein Gelände. Es gibt erste Ideen. Und seit Freitag viele Menschen, die an einem besonderen Vorhaben mitwirken wollen: der Alten Schlosserei in Langsdorf. Sie werden als Mitglieder der Projektentwicklungsgruppe das Nutzungs- und Raumkonzept erarbeiten. Die grundsätzliche Frage dabei lautet: »Was hätten Sie denn gerne?«
Die Mitglieder des Ortsbeirats hatten am Schwenkgrill gut zu tun. Schätzungsweise 130 Interessierte waren am späten Freitagnachmittag in Langsdorf zur »Ideenschmiede« auf das Gelände der ehemaligen Schlosserei in der Bessinger Straße gekommen. Aber nicht die von der Metzgerei Ubl spendierten Bratwürste hatten sie angelockt. Sie wollten das Gelände kennenlernen, auf dem die Stadt Lich gemeinsam mit den Einwohnern in den kommenden Jahren ein Projekt realisieren möchte, das Langsdorf lebendiger und lebenswerter machen soll.
Bü rgermeister Dr. Julien Neubert zeigte sich mit dem Auftakt hoch zufrieden. Er hatte mit 30 oder 40 Besuchern gerechnet. »Wir haben wohl einen Nerv getroffen«, sagte er in Anbetracht der großen Resonanz.
Die von Jean Thörner vor mehr als hundert Jahren gegründete Schlosserei war jahrzehntelang eine Institution in Langsdorf. Hier ließen die Bauern ihre Landmaschinen reparieren und Kinder ihre platten Fahrräder. Werkstatt und Schmiede sind immer noch beeindruckend, doch gearbeitet wird hier schon lange nicht mehr. Auch das Wohnhaus steht leer. Nun geht es darum, für das gesamte Ensemble neue Nutzungen zu entwickeln, von denen das ganze Dorf profitiert.
Der Bürgermeister, der selbst in Langsdorf groß geworden ist, hat dabei nicht zuletzt die Situation älterer Menschen im Blick. Damit sie bis zum Lebensende in ihrem Heimatdorf bleiben können, brauche es neue Wohnformen und Angebote wie etwa eine Tagespflege. Weitere Punkte auf der To-do-Liste sind die Grundversorgung und Möglichkeiten der Begegnung für alle Generationen. Der Ortsbeirat hat sich ebenfalls schon Gedanken gemacht. Auf seinem Wunschzettel steht ein Co-Working-Space. »Wir stehen hinter dem Projekt«, betonte Andreas Kuczera, der Ortsvorsteherin Ilka Gütlich vertrat.
Vor einem Jahr hat die Stadtverordnetenversammlung sich grundsätzlich für Kauf und Umbau der Alten Schlosserei ausgesprochen. Seither hat die Stadt nicht nur das Gelände erworben, sondern über das Leader-Programm auch Fördermittel eingeworben. Henriette Klinkhart und Kirsten Steimel werden als Moderatorinnen die Arbeit am Nutzungskonzept begleiten. »Sie werden viel Spaß mit uns haben«, versprachen die beiden Diplom-Geografinnen. Und sie machten den Langsdorfern Mut, sich in der Projektentwicklungsgruppe zu engagieren. »Wir brauchen Sie. Sie wissen, was fehlt und was Sie haben wollen.« Nach den Sommerferien soll ein Architekt das Team verstärken, die Ausschreibung läuft. Ebenfalls schon vorbereitet wird eine Machbarkeitsstudie für das Co-Working-Space.
Die ehemalige Werkstatt mit den mächtigen alten Maschinen, die alle noch funktionieren und von den Nachfahren der Familie Thörner im Originalzustand erhalten wurden, war die Attraktion bei den Rundgängen über das Gelände. Als fast ebenso inspirierend entpuppte sich der riesige Nussbaum, der hinter dem Wohnhaus steht. Unter den mehr als 20 Vorschlägen, die im Hof auf eine große Tafel gepinnt wurden, standen am Ende unter anderem die Forderung »Werkstatt muss bleiben«, das Stichwort »Museums-café«, der Vorschlag, gemeinsam zu gärtnern und der Wunsch nach einer Rundbank unter dem Baum.
Jetzt ist die Projektentwicklungsgruppe gefragt. Sie soll gemeinsam mit Vertretern aus Politik und Verwaltung, den Moderatorinnen und dem Architekten aus der Ideensammlung im kommenden halben Jahr ein schlüssiges Gesamtkonzept entwickeln. Dessen Umsetzung wird nach Einschätzung des Bürgermeisters mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Neubert weiß auch schon, wer bei der Einweihung das Band durchschneiden soll: Margot Jacobi. Die 95-Jährige saß bei der »Ideenschmiede« in der ersten Reihe und konterte den Vorschlag mit einem fröhlichen »Das warten wir mal ab!«
Aber nicht nur Langsdorfer waren zur Alten Schlosserei gekommen, sondern auch viele Neugierige aus anderen Stadtteilen. Sie könnten sich ähnliche Projekte auch für ihre Dörfer vorstellen.