Warum der Enkeltrick funktioniert

Kriminelle haben mit Telefonbetrug 2021 in Hessen Millionen in ihre Taschen gesteckt. Besonders perfide sind der Enkeltrick oder Schock- anrufe, denen meist Ältere zum Opfer fallen. Manchmal sogar, obwohl sie um die Gefahren solcher Maschen wissen.
Enkeltrick, falsche Polizeibeamte oder scheinbare Microsoft-Mitarbeiter. Die Betrugsmaschen sind vielfältig und die Betrüger lassen nicht locker. Immer wieder werden zumeist ältere Mitbürger zu Opfern der perfiden Maschen. Das Vorgehen ist dabei meist ähnlich: Das Telefon klingelt. Ist der Hörer abgenommen, erklingt eine Stimme: »Oma, bist du es?« Danach werden den ahnungslosen Opfern meist tragische Geschichten aufgetischt. Von den einfachen Geldsorgen bis hin zum tödlichen Unfall, gefolgt von der Bitte, eine Überweisung zu tätigen oder das Geld in bar zu einem vereinbarten Treffpunkt zu bringen.
Doch warum fallen so viele Personen auf diese Maschen herein? »Fakt ist, die Täter sind sehr geschickt bei dem, was sie tun«, erklärt Jörg Reinemer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mittelhessen. Es gab bereits Fälle, in denen die Betroffenen um die Gefahren solcher Betrugsversuche wussten: »Immer wieder hört man, dass sich die Betroffenen wie in einem Tunnel befanden und gar nicht richtig nachdenken konnten«, sagt Reinemer.
Bei einem Telefonat versuchen die Täter durch Suggestivfragen Informationen zu bekommen, die sie im Anschluss gegen ihre Opfer nutzen können. So zielt meist schon die Gesprächseröffnung darauf ab, einen Namen zu erfahren. Etwa durch eine Aussage wie: »Oma, rate doch einmal wer dran ist.« Sobald die Täter genügend Informationen haben, täuschen sie eine Notlage vor. Letzten Endes geht es immer nur um eins: Das Geld der Geschädigten.
Wie viele Fälle es insgesamt im Landkreis gibt, ist schwer zu sagen. »Aber wir bekommen pro Woche Meldungen von 20 bis 30 Fällen allein im Kreis Gießen«, sagt Reinemer. Die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher liegen. »Vermutlich werden mehrere hundert Anrufe getätigt, bevor einer zu einem Erfolg für die Betrüger führt.«
So erst vor kurzem in Aßlar im Lahn-Dill-Kreis: Dort wurde ein Taxifahrer misstrauisch, als eine 89-Jährige zur Bank gefahren werden wollte, um 45 000 Euro in bar abzuheben. Kurz zuvor war sie Opfer eines Schock-Anrufs geworden. In diesem Fall gingen die Betrüger glücklicherweise leer aus. »Oft geht es um die ganzen Ersparnisse der Menschen. Manchmal ist die ganze Existenzgrundlage weg«, sagt Reinemer.
Die Betrüger sind daran interessiert, möglichst unterschiedlich zu agieren: Immer wieder werden neue Methoden erdacht, um Menschen um ihr Hab und Gut zu bringen. Dabei werden die unterschiedlichsten Maschen miteinander kombiniert und weiterentwickelt. In den vergangenen Monaten gab es in Mittelhessen Fälle einer neuen Variante: Dabei nehmen Täter zunächst Kontakt über den Messenger-Dienst WhatsApp auf. Sie schreiben sinngemäß: »Hallo Oma, ich habe eine neue Telefonnummer, bitte speichere diese ab.« In der Folge gibt es dann erneuten Kontakt in schriftlicher Form per Messenger-Dienst. Die Täter schildern auf diesem Weg eine Notlage und fordern die Angeschriebenen auf, eine Überweisung zu tätigen.
Die Betrüger wollen dabei unerkannt bleiben: »Die Abholer, die Geld oder Wertgegenstände entgegennehmen, sind nur die Marionetten. Die eigentlichen Täter sitzen im Ausland«, erklärt Reinemer. Das macht größere Ermittlungserfolge schwierig, aber nicht unmöglich: »Wir hatten schon Fahndungserfolge nach den Anrufern«, berichtet der Pressesprecher. »Je mehr Informationen wir bekommen, desto höher sind die Erfolgsaussichten der Polizei.«
Dabei spielt den Kriminellen oft die Scham der Opfer in die Karten. Viele, die zum Opfer solcher Maschen wurden, wollen nicht darüber sprechen und melden sich nicht bei Verwandten oder der Polizei. Dafür besteht aus Sicht von Reinemer kein Anlass: »Die Täter gehen psychologisch sehr geschickt vor. Es kann jeder darauf reinfallen.«
Es gibt einige Möglichkeiten, sich vor solchen Betrugsversuchen zu schützen: Präventiv rät die Polizei dazu, mindestens seinen Vornamen aus dem Telefonbuch streichen zu lassen.
»Meist suchen die Täter Vornamen, die auf eher ältere Anschlussbesitzer hinweisen«, sagt Reinemer. »Mittlerweile raten wir sogar dazu, seinen Eintrag ganz aus dem Telefonbuch streichen zu lassen.« Eine solche Änderung werde jedoch erst zum nächsten Jahreswechsel wirksam.
Daneben rät die Polizei, ein Telefonat zu beenden, wenn es um Geld geht: In diesem Fall sollte man die Person, mit der man gerade telefoniert hat, unter einer bekannten Nummer anrufen. Hierdurch kann ein Betrug schnell aufgedeckt werden. Die Polizei sollte man in solch einem Fall ebenfalls kontaktieren - dazu kann die Notrufnummer 110 genutzt werden.
Eine weitere beliebte Betrugsmasche ist der Besuch falscher Polizeibeamter. Auch hier ist Prävention möglich, etwa in dem man sich den Dienstausweis von Polizeibeamten zeigen lässt. Zusätzlich sollte ein Anruf bei der Polizei getätigt werden, auch hier kann die 110 verwendet werden. Die Beamten können sagen, ob jemand im fraglichen Gebiet unterwegs ist. Auf keinen Fall sollte man die vermeintlichen Beamten zuvor in die Wohnung lassen.
Dass solche Maßnahmen Erfolge erzielen, sieht man an der aktuell sehr hohen Versuchsrate der Betrüger: »Wir konnten bereits viele Menschen erreichen und sensibilisieren. Aber wenn die Betrüger bei 800 Versuchen einmal Erfolg haben, dann zahlt es sich für sie leider schon aus«, sagt Reinemer.