Warten auf Signale aus Berlin

Die Gespräche über eine Reaktivierung des Gleisanschlusses der Mainzlarer »Schamott« wecken beim Lumdatalbahn-Verein neue Hoffnung. Doch noch immer steht eine Weichenstellung in Berlin aus, die für die Strecke bis Londorf entscheidend sein könnte.
Diese Nachricht hat aufhorchen lassen: Der Wiener Konzern RHI Magnesita wird die »Schamott« in Mainzlar womöglich auch in Zukunft betreiben - wenn genügend Mitarbeiter mitziehen und der Gleisanschluss am Werk reaktiviert wird. »Bei uns ist das sehr gut angekommen«, sagt Manfred Lotz, Vorsitzender des Vereins Lumdatalbahn, der seit Jahren um eine Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke von Lollar bis Londorf kämpft.
Man freue sich darüber, dass es für die Belegschaft nun wohl wieder eine Perspektive gebe, Arbeitsplätze erhalten werden könnten, so Lotz. Der bis vor wenigen Jahren noch genutzte Abschnitt von Lollar zur »Schamott« sei in gutem Zustand. Und mit Blick auf die gesamte Strecke könnte die Wiederinbetriebnahme des RHI-Gleises ein Meilenstein sein - das hofft man zumindest im Verein. Grundsätzlich stehen die Chancen für eine neue Lumdatalbahn aus Sicht des Bahnaktivisten Lotz nach wie vor nicht schlecht: »Wir sind schon im Deutschlandtakt der Bahn verzeichnet, alle Vorkehrungen sind getroffen.«
Doch seine Euphorie ist getrübt: »Wir warten immer noch auf Berlin.« Im dortigen Bundesverkehrsministerium wird seit geraumer Zeit an einer wichtigen Weichenstellung gewerkelt: Auf Basis des novellierten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) wird die Förderung von ÖPNV-Projekten neu geregelt. Nun geht es um die Förderfähigkeit der Lumdatalbahn-Reaktivierung und die Frage, wie ein in Arbeit befindliches neues Bewertungsverfahren sich darauf auswirkt.
Auch auf Landesebene ist die Lumdatalbahn von Zeit zu Zeit Thema. Die SPD-Landtagsabgeordneten Nina Heidt-Sommer und Tobias Eckert hatten sich im März in einer Anfrage an die schwarz-grüne Landesregierung nach dem aktuellen Stand erkundigt - und vor wenigen Wochen ernüchtert auf die Antwort reagiert: Landesverkehrs- und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) verstecke sich »hinter kommunalen Zuständigkeiten und bundeseinheitlichen Prüfverfahren und kann keinen Zeitplan einer Umsetzung der Lumdatalbahn nennen«, so Eckerts Kritik in einer Pressemitteilung.
Erst, so Lotz, hätten die neuen Bewertungskriterien aus Berlin im Dezember vorgelegt werden sollen, dann sei von Januar, schließlich vom ersten Halbjahr 2022 die Rede gewesen. »Täglich grüßt das Murmeltier«, kommentiert der Vereinsvorsitzende die Verzögerung, »das machen wir schon einige Jahre mit«. Zunächst habe man auf die Novelle des GVFG gewartet, nun auf die neue Förderkulisse.
»Ich würde gern glauben, dass wir in den nächsten Wochen ein Zeichen aus Berlin bekommen«, sagt Lotz. Aktuell gehe er davon aus, dass bis Anfang der zweiten Jahreshälfte mehr Klarheit herrschen könnte - also recht bald.
Sein Eindruck: Kreis und Land hätten sich bislang »sehr bemüht«. Und dass die Wirtschaftlichkeit vorab intensiv geprüft werde, sei grundsätzlich richtig. Doch nun müsse es endlich vorangehen. »Der Nutzen bleibt gleich, aber die Kosten steigen«, sagt Lotz auch mit Blick auf steigende Baupreise. Es brauche die Änderung der Kriterien, um auch die besondere Situation im ländlichen Raum zu erfassen - möglichst mit der Lumdatalbahn als förderfähigem Pilotprojekt. Je positiver die Berechnung ausfalle, desto wahrscheinlicher werde eine bis zu 90-prozentige Förderung der Reaktivierungskosten durch den Bund.
In Sachen RHI-Gleisanschluss könnte es womöglich schneller gehen, eine lange Hängepartie vermieden werden. Das bedeute aber nicht zwangsläufig eine Beschleunigung für die Lumdatalbahn, so Lotz. »Auch das Gegenteil könnte passieren« - dass nämlich das Land den Bahnbetrieb zum Werk unterstütze und sich dann aus der Affäre ziehe. Noch aber ist das Spekulation. »Wichtig wäre«, sagt Lotz, »dass es in einem Zug gemacht wird - es wäre doch Irrsinn, wenn die Planung dort aufhört«. Für den Verein sei zentral, dass bei den Gesprächen mit RHI über den Abschnitt bis Mainzlar die restliche Lumdatalbahn nicht vergessen werde.
Noch brauchen die Bahn-Fans jedenfalls Geduld. »Die Pläne sind da, aber die Genehmigungen nicht.« Und man dürfe nicht vergessen, dass es für ein Comeback der Lumdatalbahn auch geeigneten Personals bedarf, gibt Lotz zu bedenken. Trotz aller Hürden gibt er die Hoffnung nicht auf: »Es gibt keine Aussage, dass die Lumdatalbahn nicht kommen wird.«
Der Allendorfer verweist auch auf das neue Neun-Euro-Ticket für den ÖPNV. Dieses »hervorragende Projekt« zeige: »Die Leute haben Interesse daran, Bahn zu fahren.« Der Bedarf sei gegeben - vorausgesetzt, die Abfahrtszeiten seien verlässlich und die Preise erschwinglich.
Es gebe auch die Idee, die Schiene bis Londorf übergangsweise mit Draisinen zu befahren. Lotz sieht allerdings die Gefahr, »dass man sagt: Die wollen es ja nur touristisch nutzen«. Doch es gelte: »Wir wollen nicht nur ein bisschen Tourismus, sondern dass die Leute davon leben, die Bahn zu nutzen« - gerade auch angesichts steigender Benzinpreise. »Deswegen brauchen wir die Bahn so schnell wie möglich«, schiebt er hinterher.
Welche Kosten im Falle einer Reaktivierung auf die Kommunen zukämen - etwa für Park-Infrastruktur an den Haltepunkten - steht längst noch nicht fest. Doch diskutiert wird darüber schon jetzt. »Das Geld dafür muss dann bitte schön von Bund und Land kommen«, so die Haltung von Staufenbergs Bürgermeister Peter Gefeller. Er hat sich gegenüber der GAZ kürzlich zu den Gesprächen mit dem Landeswirtschaftsministerium über den Gleisanschluss bei RHI geäußert, »da wird man mal sehen, wie ernst es das Land meint«. Aus seiner Sicht solle man »mit diesem Lumdatalbahnabschnitt beginnen«, das sei für den Erhalt des Industriestandorts und der Arbeitsplätze »dringend nötig«.
Der Rathauschef gilt grundsätzlich als Skeptiker in Sachen Lumdatalbahn, hat sich mehrfach für einen »Schnellbus« zwischen Gießen und dem Lumdatal ausgesprochen. Er sei kein Bahn-Gegner, aber: »Es hilft den Bürgern im Lumdatal überhaupt nichts, ihnen bessere Mobilität in Aussicht zu stellen, wenn vielleicht in ein paar Jahren eine Bahn reaktiviert wird.«
Nicht zuletzt, sagt Lotz, kämen viele Mitarbeiter von RHI aus dem Lumdatal. Für sie könne eine Reaktivierung der Trasse bis Londorf zum Pendeln attraktiv sein. Doch noch ist auch der Weiterbetrieb der »Schamott« nicht in trockenen Tüchern. Ein weiteres Mal heißt es: abwarten.