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Vor allem positive Effekte

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Von: Constantin Hoppe

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Der Hungener Stadtwald zwischen Langd und Villingen könnte Teil einer ausgedehnten Waldwildnis werden. © pv

Am westlichen Rand des Vogelsbergs könnte eines der größten Wildnis- Gebiete Deutschlands entstehen. Dazu müsste ein Teil des Hungener Stadtwaldes aus der forstlichen Nutzung genommen werden.

Der Hungener Stadtwald könnte ein Teil der zweitgrößten hessischen Waldwildnis werden. Nur der Kellerwald wäre größer. Der Anschluss von zwölf Prozent des Hungener Stadtwaldes an das Bundesprojekt Wildnis-Fonds wurde in der Politik kontrovers diskutiert. Am Montag fand dazu eine Informationsveranstaltung in der Schäferstadthalle statt.

Auf zwei Prozent der deutschen Landfläche soll sich die Natur wieder nach ihren Gesetzen entwickeln und Wildnis entstehen. So lautet das »Wildnisziel« der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die NABU-Stiftung »Nationales Naturerbe« mit finanziellen Mitteln aus dem Wildnis-Fonds im Juli 2019 die Nutzungsrechte für 225 Hektar Wald in Laubacher Gemarkung aus dem Besitz von Karl Georg Graf zu Solms-Laubach erwerben können. Gemeinsam mit dem bereits bestehenden Wildnis-Gebiet im benachbarten Staatswald auf Hungener Gemarkung sind über 1000 Hektar Wildnis entstanden.

Diese Fläche kann sich noch vergrößern: Würde der 176 Hektar große Hungener Stadtwald zwischen Langd und Villingen einbezogen, wäre eine Verbindung zwischen den bereits bestehenden Teilstücken und damit eine zusammenhängende Waldwildnis von über 1200 Hektar geschaffen. »Wir könnten hier eines der herausragendsten Wildnis-Gebiete Deutschlands schaffen«, ist sich Christian Unselt von der NABU-Stiftung sicher.

»Am Rand des Vogelsbergs haben wir eine der besten Flächen für Buchenwälder. Hier gibt es ein besonders hohes Potenzial für alle Waldfunktion«, sagte Dr. Markus Dietz vom »Institut für Tierökologie und Naturbildung« aus Gonterskirchen. Wildnis-Gebiete können einen wichtigen Teil zur Artenvielfalt beitragen. Sie bieten Lebensraum für Tiere und Insekten und sind CO2-Senken, die große Mengen Kohlenstoffdioxid binden. Nicht zuletzt halten dichte Waldflächen Wasser zurück und helfen so der Bildung des Grundwassers.

Doch es gibt nicht nur ökologische Gesichtspunkte, die für einen Anschluss des Hungener Waldes sprechen, auch ökonomisch gibt es Vorteile: Der Verkauf der Nutzungsrechte könnte 4,5 Millionen Euro in die Stadtkasse spülen. Das geht aus einem erstellten Waldgutachten für das Gebiet hervor. Deutlich mehr als auf absehbare Zeit durch die forstwirtschaftliche Nutzung der Fläche eingespielt werden kann. Zudem könnte ein positiver Effekt auf den Tourismus entstehen, denn dieser ist in Wildnis-Gebieten nicht ausgeschlossen. »Vielleicht ist Hungen dann nicht nur als Schäferstadt, sondern auch als Waldwildnis-Stadt bekannt«, meinte dazu Dr. Oliver Stock von der ZUG GmbH, die den Wildnis-Fonds vertritt.

Auch einige Sorgen Hungener Bürger wurden bei der Informationsveranstaltung ausgeräumt. Es sei nicht geplant, in dem Gebiet aktiv Wölfe anzusiedeln, erklärte Dietz. Eine Befürchtung, die gerade Landwirte in der Region haben. Auch die Gefahr von Waldbränden sei sehr gering: »Bei Laubwäldern wie hier sorgt die Herausnahme aus der Nutzung sogar für eine geringere Waldbrandgefahr«, erklärte Förster Frank Zabel.

Jedoch gibt es einige kritische Punkte, die vor einem Verkauf der Nutzungsrechte des Waldes bedacht werden sollten: »Es würde eine einmalige, hohe Einnahme generiert. Der Wald steht aber auf Dauer nicht mehr zu Nutzung bereit und die Waldwirtschaft würde unrentabler werden«, gab Zabel zu Bedenken.

Auch die Jagd wäre nur noch eingeschränkt möglich. Geklärt werden muss zudem die Frage der Zuständigkeit bei der Verkehrssicherheit: Es soll weiterhin feste Routen durch den Wald geben. Die Schottener Straße, die als öffentliche Straße ausgewiesen ist, soll bestehen bleiben. Diese wird als Abkürzung zwischen Langd und Villingen genutzt. Und nicht zuletzt dürften Einwohner kein Brennholz in »ihrem« Wald schlagen - eine sehr emotionale Angelegenheit.

Eine Alternative zum Wildnis-Fonds könnten Ökopunkte darstellen: Hierüber könnten bei einer Herausnahme des entsprechenden Waldgebiets aus der Nutzung aktuell Punkte im Wert von drei Millionen Euro generiert werden. Deutlich weniger als durch den Wildnis-Fonds.

Im nächsten Schritt sollen nun die Hungener Bürger zu Wort kommen und Stellung zu dem Projekt beziehen. Dafür soll spätestens zum 1. April eine Online-Bürgerbefragung starten, wie Bürgermeister Rainer Wengorsch mitteilte. Die Befragung soll für zwei Wochen über die Homepage der Stadt www.hungen.de freigeschaltet bleiben.

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