Von klein auf fürs Handwerk werben

Ob Elektriker, Tischler oder Maler, allen fehlt es an Nachwuchs. Eine Ursache sehen Kritiker im Bildungssystem, das Fördern handwerklichen Geschicks komme zu kurz. So sieht es auch Anja Hofmann, Leiterin der Grünberger Grundschule. Dort beschreitet man jetzt neue Wege: Für 130 000 Euro entsteht ein Bau- und Konstruktionsraum, um schon von klein auf die Freude am Handwerk zu vermitteln.
Seit gut einem Jahr erstrahlt die Schule am Diebsturm in Grünberg in hellem Glanz, und das nicht nur wegen des Anstrichs mit freundlich-frischen Farben: Für 7,5 Millionen Euro wurden Haus 2 und 4 saniert.
Mit bald 400 Kindern ist die Grundschule sozusagen »ausgebucht«. Im Haus 2 aber findet sich noch ein großer Raum, bestens geeignet für das ambitionierte Projekt von Rektorin Anja Hofmann und ihrem Team.
Bei der Besichtigung des künftigen »Bau- und Konstruktionsraumes« mit dabei ist Dominic Keller. Als UBUS-Fachkraft wird er das Projekt betreuen. UBUS? Den Begriff hat sich das Kultusministerium einfallen lassen, er steht für »Unterrichtsbegleitende Unterstützung durch sozialpädagogische Fachkräfte«. Noch aber muss man sich anhand der Entwurfsskizze vorstellen, was auf den rund 40 Quadratmetern entstehen soll. Dazu zählt der Einbau einer zweiten Ebene - zusätzliche Fläche, auf dass die Kinder selbst in Klassenstärke genug Platz haben, um zu bauen, zu konstruieren, zu experimentieren.
Voraussetzung auch bei dieser »Baustelle« ist das passende Material. Anders als im richtigen Leben gibt es hier keine Lieferengpässe: Eigens für Kinderhände entwickelte Lochplatten, Stege, Schrauben, Muttern und Verbindungselemente werden zur Verfügung stehen. Angefertigt zumeist aus Holz, Kork und Gummi.
Hinzu kommen Werkstücke aus dem Biokunststoff »Fasal«. Der besteht aus Holzfasern und Zerealien - diesmal nicht von »Seiiiitenbacher«, sondern aus kohlenhydratreichen Rohprodukten wie Mais hergestellt. Die Schule greift hier auf die Expertise des Grünberger Unternehmers Oliver Funk zurück.
Dass die Lernmaterialien nachhaltig produziert und recyclebar seien, zudem die notwendige Stabilität besäßen, betont die Rektorin. Das hätten erste Testläufe, bei denen die Nachwuchs-Baumeister Tische und Stühle »zimmerten« oder eine Seilbahn konstruierten, gezeigt.
Beim kreativen Schaffen mit zwei Händen werden natürlich ebenso räumliches Vorstellungsvermögen, Kenntnisse in Geometrie oder Mathematik gefördert. Zum Konstruieren braucht es eben auch Köpfchen. Zur Einrichtung des »BauKo-Raums« wird übrigens eine interaktive Tafel gehören, auf denen fertige Konstruktionen als Anschauungsmaterial oder Lern-Videos gezeigt werden können.
Wie in vielen Elternhäusern sieht Hofmann nicht minder in der eigenen »Branche« Versäumnisse: Die Grundschulen hätten zwar IT und Medienbildung in den Fokus genommen, »das Handwerk aber haben sie vergessen«.
Die Folgen solcher Versäumnisse, eben der Nachwuchsmangel, hat sie bei Gesprächen mit heimischen Betrieben vernommen. Sie zitiert dazu klare Worte von Orthopädietechniker Daniel Keller: »Die Nachwuchssituation ist durchaus schwierig.«
Dabei, so wieder die Lehrerin mit jahrzehntelanger Berufserfahrung, seien die Auftragsbücher nahezu ausgelastet, böten sich jungen Menschen überaus gute Perspektiven. Weiter: »Geschicklichkeit und Köpfchen sind überall von Bedeutung. Auch die qualifizierte Ausbildung bestückt den ›Handwerkskasten‹ vielseitig, sodass man sich in verwandten Berufen leicht zurechtfinden kann.«
Nicht vergessen sei, dass nach der Sanierung der Schule wieder ein »klassischer« Werkraum zur Verfügung steht und ein Töpferraum neu hinzu gekommen ist. Um schon von klein auf das »Feuer fürs Handwerk zu entfachen«, wie Keller es formuliert, gibt es zudem die AG »Strombastler«, geleitet von Azubis von Bender Netzschutztechnik. »Jüngst haben die ersten Ehemaligen dort ein Praktikum absolviert.«
Apropos: Dirk Christian Bender, Senior des Grünberger Unternehmens, unterstützt das Projekt, dem in der Region durchaus ein Pilotcharakter zukommt. »Auch die Industrie braucht junge Menschen, die ihr Können mit handwerklichen Fähigkeiten beweisen möchten.« Der Ansatz der Schule ist für den gelernten Ingenieur vorbildhaft, und so übernahm er auch zu zögern die Schirmherrschaft.
Die Idee hat längst weitere Förderer gefunden. Dazu sei der Zweiradhändler Patrick Schlosser zitiert: »Die Kinder bekommen heute von zu Hause nicht mehr so viel mit.« Manche wüssten nicht mal, wie man eine Schraube festdrehe. Auch Apothekerin Christina Frank spricht von einer sinnvollen Bereicherung: »Die Kleinen können sich auszuprobieren, kommen mit verschiedenen Materialien in Berührung. In unserer heutigen medialen Welt ist das in den Hintergrund geraten.« Und Adalbert Kirsch vom Autohaus Grüning würdigt das Einüben sozialer Kompetenzen wie Teamarbeit, werde das doch im Handwerk benötigt.
An Kosten kalkuliert die Schule mit rund 130 000 Euro. Immerhin 50 000 Euro hat man schon zusammen, darin enthalten ein fünfstelliger Zuschuss des Landkreises sowie größere Spenden von Betrieben. Aber, so betont Hofmann am Ende: »Auch der kleinste Betrag ist willkommen.«