Vom Flugplatz zum Logistikzentrum

Die Ayers-Kaserne prägte über Jahrzehnte hinweg die Umgebung von Langgöns und Butzbach. Im Guten wie im Schlechten.
Flugplatz, US-Kaserne, Logistik - dieser »vergessene Ort« hat eine bewegte Geschichte hinter sich und prägte lange den Landkreis Gießen und die Wetterau. Die Fläche, auf der heute der Magna-Park zu finden ist, wurde über Jahrzehnte militärisch genutzt. Heute zeugen davon noch eine Kirchenruine und die Reste gesprengter Bunkeranlagen.
»Meine Mutter erzählt, dass sie damals beim Bau des Flugplatzes mitgearbeitet hat«, sagt Werner Reusch. Kaum jemand dürfte die Geschichte der rund 1000 Hektar großen Fläche zwischen Niederkleen, Kirch-Göns und Lang-Göns besser kennen wie er. Durch die Erzählungen seiner Mutter beflügelt, beschäftigte sich der Hobbyhistoriker intensiv mit der Geschichte des Flugplatzes Kirch-Göns und der Ayers-Kaserne. Ein halbes Dutzend Bücher hat er über das Thema veröffentlicht.
Die Geschichte des Flugplatzes und der Kaserne beginnt im Jahr 1934. Damals kam die Idee auf, zwischen Kirch-Göns und Niederkleen einen Flugplatz zu schaffen. In einer Zeit großer Arbeitslosigkeit war dies eine große Chance für die umliegenden Dörfer. 2000 Arbeitsplätze entstanden durch die Bauarbeiten. »Auch die Kleinbauern profitierten, da sie Unterkünfte an die Arbeiter vermieteten«, erklärt Reusch.
Drei Jahre lang wurde an dem Flugplatz gebaut. Getarnt wurde er als Gutshof, um den militärischen Standort zu verschleiern. Im November 1939 landeten dann die ersten Fernaufklärungsflugzeuge auf der neuen Landebahn. Kurioserweise blieb der Flugplatz nur sechs Monate in Betrieb. Die Aufklärungsflugzeuge waren hier nur bis zum Sommer 1940 stationiert, dann wurden sie nach Frankreich verlegt.
An Heiligabend fielen 2000 Bomben
Im Kriegsverlauf wurde der Platz dann einer neuen Nutzung zugeführt: Nach der Bombardierung Frankfurts 1942 wurden die Vereinten Deutschen Metallwerke (VDM) auf die leerstehende Fläche aufmerksam und verlagerten einen Teil des Betriebs in die dortigen Baracken. Bis zum 24. Dezember 1944: Am Nachmittag, wenige Stunden vor Heiligabend, flogen innerhalb kurzer Zeit 2000 Bomben auf den Flugplatz. Übrig blieb nur eine Mondlandschaft. »Dank des Feiertags waren fast alle Arbeiter zu Hause«, berichtet Reusch. »Üblicherweise waren 800 Arbeiter dort. Nur drei Menschen kamen an diesem Tag ums Leben.«
Es war das Ende der Geschichte des Flugplatzes Kirch-Göns, doch noch lange nicht die Geschichte des Geländes. Kurz vor Kriegsende sollten die Bunkeranlagen im nahen Wald gesprengt werden. Doch dem besonnenen Handeln eines Soldaten ist es zu verdanken, dass dies nicht kopflos geschah: Er kontrollierte die Bunker vor der Sprengung - was seinen Befehlen widersprach. Dabei entdeckte er 70 Tonnen Lebensmittel, die er an die kriegsgebeutelte Bevölkerung verteilte.
Im Mai 1952 wurden Gerüchte laut, dass das US-Militär plane, auf der leerstehenden Fläche eine Kaserne zu errichten. Bereits im Oktober des Jahres begannen die Bauarbeiten. Und die Geschichte wiederholte sich: Innerhalb von nur sechs Monaten wurde das riesige Gelände aus dem Boden gestampft. Damit kamen viele Arbeitsplätze in die Region. Bis zu 6500 Soldaten gleichzeitig wurden in den kommenden Jahrzehnten in der Ayers-Kaserne untergebracht. Bars und Diskotheken eröffneten in den umliegenden Dörfern. Zahlreiche Wohnungen wurden an Soldaten oder deren Familienangehörige vermietet. Und Kolonnen von Taxifahrern standen bereit, um die Soldaten zum Feiern in die Dörfer und Städte zu bringen. »Für die Geschäftswelt war das ab 1955 ein Hoch. Die Taxifahrer waren Tag und Nacht unterwegs«, erzählt Reusch.
Licht und Schatten
So mancher Langgönser wusste diese Entwicklung zu nutzen: Alfred und Gertraud Winkler mieteten ein Haus in der Straße Niederhofen in Lang-Göns und eröffneten dort eine Eisdiele. In einem kleinen Hinterzimmer wurde dort außerdem unter einer Glitzerkugel getanzt - ein Ziel am Wochenende für viele GIs. Das lag natürlich daran, dass die Eisdiele bei den jungen Langgönsern, besonders den jungen Frauen, beliebt war.
Andere Einwohner der umliegenden Dörfer fürchteten, dass Probleme mit Prostitution und Kriminalität entstehen könnten. Unbegründet waren diese Sorgen nicht: Immer wieder kam es zu Belästigungen und Raufereien zwischen Soldaten und der Bevölkerung. Das lag auch daran, dass die deutsche Polizei gegenüber den GIs keine Zugriffsberechtigung hatte. Erst nach Einrichtung der Militärpolizei besserte sich die Situation.
Ein Problem anderer Art kam auf Landwirte in Niederkleen und Dornholzhausen zu. Mit dem Kasernengelände wurden ein Schießplatz und eine 250 Meter lange Betonmauer errichtet. Diese sollte die Projektile auffangen. Doch die Mauer war nicht hoch genug - und immer wieder schlugen Kugeln auf den umliegenden Äckern ein. »Nach Beschwerden der Bauern wurde der Schießplatz verlegt«, berichtet Reusch.
Doch brachte das US-Militär neben den Arbeitsplätzen auch viele Besserungen für die Bevölkerung. Oftmals wurde der Bau von Hallen und Festplätze durch das Militär unterstützt. Es waren Projekte, die die Bevölkerung nicht hätte stemmen können.
Die Ayers-Kaserne prägte 45 Jahre lang die umliegenden Dörfer. Teilweise waren bis zu 6500 Soldaten hier stationiert. Doch im Juni 1997 endete diese Zeit abrupt, als das Tor der Kaserne für immer geschlossen wurde. Im selben Jahr wurde das Gelände zurück in die Hände der Bundesrepublik übergeben. Damit begann erneut eine Zeit der Unklarheit: Unter anderem war der Bau eines Gefängnisses im Gespräch. 2003 erwarb die Spedition Bork das Gelände. Seitdem sind dort neben Bork Firmen wie UPS und Bosch mit Logistikzentren beheimatet.
Von der früheren Nutzung zeugen heute nur noch die Ruine der ehemaligen Kirche, eine Häuserzeile am Rand des Magna-Parks und die Bunkerruinen im nahen Wald.

