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Urlaub machen, wo andere tagen

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paq_725obama_080722_4c_1 © Carolin Launspach

Rechts auf dem Bild sind gleich zwei Gipfel zu sehen - wobei der eine von der Natur erschaffen wurde, der andere von den Weltmächten. Eine kleine Vorgeschichte dazu: Über Jahrzehnte stand das Kürzel »la« für Willi Launspach, dem Berichterstatter aus Reiskirchen. Schon früh begeisterte er seine Tochter Carolin für den Lokaljournalismus. Nachdem Willi Launspach vor wenigen Wochen verstorben ist, übernahm seine Tochter als Familientradition dieses Kürzel.

Vor wenigen Tagen wollte »la« beim Urlaub mit Blick auf die Berggipfel abschalten - und bekam einen ganz anderen Gipfel zusehen. Ihr Urlaubsbericht: »Ich versuche, mir meinen Urlaub zu Zeiten und an Orte zu legen, zu welchen ich Erholung erhoffe. Manchmal verhilft die Planung des Gipfeltreffens der sieben führenden Industriestaaten, kurz G7, hierbei zu einem überraschenden Erlebnis.

Es war im Vorfeld klar, dass es keine Chance auf ein Treffen mit den sieben Staatsmännern und der EU-Präsidentin geben kann, denn Schloss Elmau bei Klais wurde für drei Tage zur Enklave für die Teilnehmer. Nichtsdestotrotz war Gipfelluft zu schnuppern: Einmal natürlich hoch oben auf dem Berg, sofern dieser nicht ins Sperrgebiet fiel, zum anderen rund um das oberbayrische Elmau. Die in diesem Jahr Ende Juni wohl bestbewachte Region Deutschlands bot einen Auflauf von Blaulicht: Zöllner, Polizisten, Bundesgrenzschützer, THW’ler und Helfer des DRK/BRK, aber auch Soldaten. Die Bevölkerung nahm das Schauspiel unterschiedlich wahr. Die Geschäftsleute in Garmisch-Partenkirchen zeigten sich, Presseberichten zufolge, wenig begeistert, da sie in der Zeit rund um G7 geringeren bis gar keinen Umsatz machen konnten.

Wer in Garmisch-Partenkirchen wohnte, merkte die Auswirkungen bei der An- und Abreise der Teilnehmer, indem die Durchgangsstraße unerbittlich gesperrt wurde. Ich selbst durfte unbeabsichtigt die Abreise des US-Präsidenten miterleben. Nein, gesehen habe ich ihn nicht, aber ich durfte einen großen Umweg zur Autobahn in Kauf nehmen. Die Verbindung Mittenwald über Garmisch auf die A 95 war gesperrt. Touristisch gesehen gut, so fuhr ich durch Gegenden, die ich anders nicht erlebt hätte.

Ich wohnte in Mittenwald, vermied Fahrten Richtung Garmisch und konnte dennoch den immensen Anteil der Polizei und des Bundesgrenzschutzes bestaunen. Diese hatten nicht nur Kontrollstellen auf den umliegenden Verkehrsadern, sondern auch an Wanderwegen. Ebenfalls die Präsenz der Polizeihubschrauber nahm zu. Wirklich störend war dies für die wenigsten, wenn man im Ort nachfragte. Die Einheimischen kannten es schon, die Touristen fanden es »spannend«.

Auch Grenzschützer aus Österreich und Carabiniere aus Italien waren zur Unterstützung der deutschen Kollegen vor Ort. Es wurden immer wieder Stimmen laut, die in Pressemeldungen von der übertriebenen Präsenz der Polizei berichteten und von den immensen Kosten, die dies verursachte. Letztlich muss ich sagen, dass im Vorfeld nicht kalkulierbar ist, wer diese Veranstaltung von außen, etwa im Rahmen einer Demonstration, noch ›mitbestimmen‹ möchte. Vor dem Hintergrund der Eskalationen 2017 in Hamburg bei G20 finde ich das polizeiliche Aufgebot unumgänglich.

Dabei geht es nicht um Restriktionen der Demonstranten, auch wenn einige dies so empfanden. Vielmehr wird versucht, Schaden von den Beteiligten und vor allem von der Bevölkerung fernzuhalten. Leider mischen sich immer wieder Personen unter die Demonstranten, die offenbar nicht um des Themas Willen mitgehen, sondern um reine Zerstörungswut herauszulassen. Um Letzteres zu unterbinden, bedarf es nun immer mehr des großen Auflaufens der Gesetzeshüter (nicht nur in Oberbayern).

Ob ein G7-Gipfel nochmals in sieben Jahren in Elmau stattfinden wird, scheint nicht sicher. Die Verantwortlichen hüllen sich entweder in Schweigen oder sind dem Ganzen negativ gegenüber eingestellt. Letztlich war es für mich ein Erlebnis, zumal es interessante und lustige Anekdoten der Teilnehmer zu erfahren gab, abends bei einem guten Essen. Und falls Sie sich fragen, weshalb in einem Einsatzwagen ein aufgeblasener, blauer Einweghandschuh winkbereit auf dem Armaturenbrett liegt: Damit man nicht ständig die Hand zum Grüßen der Kollegen heben musste (das konnte am Tag schon mal sehr viel werden), nahm man stellvertretend den Handschuh zur Hilfe, der lag dann da zur Unterstützung von Amtswegen sozusagen.«

Hoffentlich kommt der G7-Gipfel nicht irgendwann nach Gießen. Mit teuren Großveranstaltungen kennt man sich in der Lahnstadt ja bestens aus... FOTO: LA

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