Unterwegs mit Nummer 91101

Mal eben im Vorbeigehen ein Bike ausleihen und einfach losradeln: Das ist momentan auch in Hungen, Lich und Pohlheim möglich. Wie funktioniert das in der Praxis? Ein Testbericht.
Auf dem Parkplatz in der Kirchhofsgasse in Lich hat die mobile Zukunft begonnen. Dort gibt es zwei Ladestationen für E-Autos und nun vor-übergehend auch eine Station für Leihräder. In größeren Städten sind die stabilen Bikes, mit denen man flexibel und unkompliziert von A nach B radeln kann, bereits gang und gäbe. Nun will der Landkreis in einem Pilotprojekt gemeinsam mit den Städten Pohlheim, Lich und Hungen und dem Anbieter Nextbike ausprobieren, wie Leihräder in einem eher ländlich geprägten Gebiet ankommen, in dem das Auto nach wie vor das dominierende Fortbewegungsmittel ist.
120 Minuten kostenlos
Auch ich starte einen Versuch. Auf einer kleinen Radtour von Lich nach Hungen will ich testen, wie das Leihradsystem in der Praxis funktioniert. Die erforderliche App habe ich mir bereits zu Hause auf das Handy geladen und auch den Gutschein-Code RADELNLKGI aktiviert. Wie alle, die während der dreiwöchigen Pilotphase ein Bike in Pohlheim, Lich und Hungen ausleihen, bekomme ich 120 Gratisminuten gutgeschrieben. Danach kostet jede Viertelstunde einen Euro.
15 Leihrad-Standorte gibt es in den drei Nachbarstädten. Die blauen und grünen Räder können dort ausgeliehen und an jeder anderen Stationen in diesen Kommunen wieder abgegeben werden. Man könnte zum Beispiel von Lich nach Hungen radeln, dort das Bike wieder abstellen und den Zug zurück nehmen. Ich aber will hin und zurück fahren und bei dieser Gelegenheit ein paar weitere Leihrad-Stationen abklappern. Meine Hoffnung: Vielleicht treffe ich andere Nutzer, die mir von ihren Erfahrungen erzählen können.
In welchem Umfang die Leihräder genutzt werden, wollen die Verantwortlichen nach der Pilotphase auswerten. Dass sie genutzt werden, ließ sich in den Tagen vor meine Testfahrt mithilfe der App beobachten, die auf einer Karte sämtliche Stationen mit allen aktuell verfügbaren Bikes verzeichnet. Da geriet einiges in Bewegung In Lich zum Beispiel waren zeitweise die Standorte am Bahnhof und auf dem Kirchenplatz ziemlich abgeräumt; dafür standen gleich acht Räder am Stadtrand in der Albrecht-Dürer-Straße.
Als ich auf die Strecke gehe, sind alle Stationen wieder gleichmäßig bestückt. Das Service-Team von Nextbike hat ganze Arbeit geleistet und offensichtlich noch zwei zusätzliche Fahrräder herangeschafft. Gestartet wurde das Projekt mit 60 Rädern, an diesem Morgen zeigt die App insgesamt 62 an.
In der Kirchhofsgasse fällt meine Wahl auf die Nummer 91101. Wie alle anderen, hat auch dieses stabile blaue Bike einen tiefen Einstieg, einen Schnellspanner am Sattel und eine Gepäckhalterung vorne am Lenker. Für meinen vollgepackten Rucksack ist der Spanngurt allerdings ein bisschen zu kurz. Ich zücke das Handy, öffne die App, scanne den QR-Code von Nummer 91101 und schon öffnet sich wie von Zauberhand das Rahmenschloss. Es kann losgehen.
Zuverlässiger Begleiter
Mit mehreren Stopps und ein paar Umwegen dauert meine Tour nach Hungen und zurück zwei Stunden. Nummer 91101 erweist sich an diesem schönen Maimorgen als zuverlässiger Begleiter. Das Rad ist kein Leichtgewicht, doch es rollt gut. Die sieben Gänge schalten sauber, die beiden Handbremsen sind nicht zu scharf eingestellt; man muss also keine Angst haben, unvermittelt einen Abgang über den Lenker zu machen.
Die Hoffnung, unterwegs auf weitere Leihrad-Nutzer zu stoßen, erfüllt sich nicht. Alle Radfahrer, denen ich zwischen Lich und Hungen begegne, sind mit eigenem Material unterwegs. An diesem Vormittag, das zeigt die App, bin ich offenkundig die Einzige, die von dem Pilotprojekt profitiert. Am Ende der Tour erweist sich die Rückgabe des blauen Bikes als ebenso unkompliziert wie die Ausleihe. Zurück an der Station in der Kirchhofsgasse schließe ich mit einem festen Ruck das Rahmenschloss, wenige Augenblicke später zeigt die App Nummer 91101 schon wieder als verfügbar an. Meine 120 Freiminuten habe ich an diesem Vormittag komplett verbraten, dafür aber einen anderen Gewinn verbucht: 27,3 zusätzliche Kilometer für das Stadtradeln-Team der Gießener Allgemeinen.