Treffpunkt für Senioren

Gemeinsam frühstücken, Geschichten austauschen, einander helfen: Das wollen drei Treiser ermöglichen und haben nun ein erstes Seniorenfrühstück veranstaltet. Es soll der Auftakt für die Gründung eines Vereins sein - und ein Beitrag zur Stärkung der Dorfgemeinschaft.
Kaum hat der Termin begonnen, da ist schon klar, dass die Initiatoren einen Nerv getroffen haben. Gut zwei Dutzend Senioren sitzen am Dienstagvormittag im Pfarrhof der evangelischen Kirchengemeinde an einer langen Tafel mit Blick über die Dächer von Treis. Kaffee wird von Helferinnen an den Platz gebracht, ebenso Salami-, Käse-, Mett- und Marmeladenbrötchen. Allenthalben wird munter geplaudert - viele kennen sich, doch manche haben sich länger nicht gesehen.
»Gerade nach der Corona-Zeit ist es wichtig, dass die Menschen einen Anlaufpunkt haben«, findet Gerhard Amend. Gemeinsam mit Erwin Heyer und Reiner Klein hat er über das Mitteilungsblättchen zu dem Seniorenfrühstück eingeladen, »und in Treis ist Mundpropaganda First Class«, sagt Amend. Ein paar Senioren hätten diesmal Arzttermine, wären sonst gekommen.
Das Frühstück soll der Auftakt für ein größeres Projekt sein: Die Drei wollen einen Seniorenverein gründen, sich auf diesem Weg um Belange älterer Treiser kümmern und Möglichkeiten schaffen, sich zu begegnen. Sie haben schon eine Satzung vorbereitet, wollen nun beim ersten Treffen Ideen sammeln, hoffen auf Mitstreiter für einen Vereinsvorstand.
Auch Pfarrer Andreas Lenz schaut vorbei, begrüßt die Senioren kurz: »Liebe Best-Ager« - diese Anrede geht den älteren Treisern offenbar runter wie Öl. »Es ist total klasse, dass ihr hier seid und es prima angenommen wird«, sagt der Pfarrrer. Die Frauenhilfe könne in Treis auf 100 Jahre zurückblicken, »ich wünsche eurem Kreis einen ähnlichen Erfolg«.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, doch der Auftakt wirkt vielversprechend. Die Initiatoren haben ein paar Anregungen für Aktivitäten mitgebracht: Vorträge von Gedichten in Mundart oder alten Liedern zum Beispiel, ein Reparatur-Treff, Unterstützung bei der Smartphone-Nutzung. Ein Senior trägt beim Frühstück eine Geschichte in Mundart vor, eine ältere Dame gibt einen Witz auf Platt zum Besten. Die Senioren kriegen sich vor Lachen kaum ein. Die Sonne strahlt, die Stimmung ist heiter.
Emmi Rabenau sitzt an der langen Tafel neben Freundinnen, mit denen sie sonntags Karten spielt. »Ich werde jedes Mal hierher kommen, wenn es mir einigermaßen gut geht«, sagt sie. Rabenau wird bald 87, »man weiß ja nicht, wie lange man noch kann«. Gerade in letzter Zeit sei es mit Kontakten schwierig gewesen. Als sie kürzlich mit einem der Initiatoren telefonierte, habe sie gesagt: »Ich habe den ganzen Tag noch mit niemandem gesprochen.« Umso mehr genießt sie nun den Treff. »Es ist wichtig, dass sich jemand bereit erklärt hat. Schön, dass sich jemand um uns Ältere kümmert.«
In Staufenberg gibt es bereits ein ähnliches Angebot. »Da habe ich von Anfang an gesagt: Das ist nichts für mich«, bekundet Rabenau. Gerade für viele ältere, nicht mobile Treiser ist Staufenberg gefühlt weit weg. Und wie auch in manch anderen Dörfern, die ein paar Kilometer vom Zentrum ihrer jeweiligen Kommune entfernt liegen und wo es um die Infrastruktur schon mal besser bestellt war, besteht bei Treisern teils der Eindruck, dass die Verwaltung sich nur bedingt um ihre Interessen kümmert - und es vielleicht schneller geht, wenn man Projekte selbst in die Hand nimmt.
Klein, Heyer und Amend finden einen gut erreichbaren Treff speziell für die Treiser wichtig. Alle drei engagieren sich auch im Staufenberger Seniorenbeirat, die Treiser sind in dem Gremium deutlich in der Mehrzahl. Doch mittlerweile ist bei dem Trio ein gewisser Verdruss zu spüren: Der Seniorenbeirat werde kaum um Stellungnahmen zu seniorenrelevanten Themen gebeten, so ihr Eindruck. Auch habe Corona manche Initiative ins Stocken gebracht.
Also starten sie nun mit dem Seniorenverein ein »eigenes Ding«, auch weil es mit einer Vereinsstruktur einfacher sei, projektbezogene Fördergelder zu beantragen. »Wir wollen die Dorfgemeinschaft unterstützen«, sagt Amend. »Es ist kein Gegeneinander«, man wolle anderen Initiativen und Vereinen keine Konkurrenz machen, sondern etwas Neues schaffen, betont Heyer. Und Klein ergänzt: »Unser Hauptaugenmerk liegt auf Senioren, wir wollen aber auch Jüngere ansprechen.« Auch ein Seniorenverein brauche Nachwuchsarbeit.
Die Gastronomie sei in Treis inzwischen ausgedünnt, es fehle an einem öffentlichen Treffpunkt, beklagt ein Senior in der Runde und freut sich über das neue Angebot. Auch Ottilie Muhl ist voll des Lobes für das Seniorenfrühstück. »Das ist in Ordnung, da war ich gleich dabei«, sagt die 87-Jährige. »Das gefällt mir sehr gut: Hier wird was für die Alten unternommen, wir sind ja alle gehbehindert.« Wer nicht mobil ist, den haben die Initiatoren abgeholt - und das soll auch weiter so bleiben.
Muhl kann sich durchaus vorstellen, künftig beim Dienstagsfrühstück aktiv mitzuwirken: »Ich kann noch einiges vortragen: Mundart, alte Lieder. Ich denke, da spitzt auch die Jugend die Ohren.« Wie anderen hat auch ihr gerade die Geselligkeit, der Plausch mit anderen sehr gefehlt. Immerhin, erzählt Muhl, gehe die Singstunde jetzt wieder los. Seit 1948 singt sie in Treis im Chor, »aber ich höre nun auf, es reicht«. Doch zum nächsten Frühstück im Gemeindehof will sie am Dienstag kommen - »wenn es meine Gesundheit erlaubt«.