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Teure Zeugnisse der Geschichte

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Von: Thomas Brückner

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Absperrbaken an Grünbergs Stadtmauer, hier am alten Schlossgarten, zeugen vom Beginn der Sanierung. © Thomas Brueckner

Städte, die noch über eine historische Befestigung oder wenigstens Reste davon verfügen, werden um diese Sehenswürdigkeit oft beneidet. Doch müssen sie immense Summen in den Erhalt der denkmalgeschützten Bauwerke stecken. Ein Lied davon können jetzt die Grünberger singen.

Es geschah in der Nacht des 7. Juni 2012, als unerwartet Teile von Grünbergs Stadtmauer einstürzten. Am nächsten Morgen war der Busparkplatz am Schloss mit Bruchsteinen »gepflastert«. Regen und Frost hatten den Mörtel der hier rund 500 Jahre alten Einfriedung so sehr geschädigt, dass sie auf rund fünf Metern wegsackte.

Nicht der erste und auch nicht der letzte Fall. Einer erzwang gar die längere Schließung des Kleinkinderspielplatzes am Winterplatz, bei dem zum Glück ebenfalls niemand zu Schaden kam.

Auf dass es so bleiben möge, aber auch aus der Verpflichtung zum Erhalt des herausragenden Zeugnisses seiner Geschichte hat sich Grünberg die Sanierung der bis zu 800 Jahre alten Reste der Stadtbefestigung vorgenommen. Ein Millionenprojekt, wie nun am Rondell, ein ums Jahr 1500 errichteter Wehrturm, zu sehen.

Am Montag haben die Arbeiten mit der Einrichtung der Baustelle begonnen, dem Schutz der Fußgänger in der Straße am Kindergarten »Die Rondellis« dient eine lang Reihe von Absperrbaken.

Für die »kleenen Grimmicher« von größerer Bedeutung aber ist, dass der weitläufige Spielplatz jenseits der Mauer gesperrt werden muss - bis zum Abschluss der in zwei Abschnitte (Ost- und Westwand) aufgeteilten Sanierung, mit der erst 2023 zu rechnen ist.

Hinter der Westwand befinden sich vermehrt bebaute Grundstücke, doch dürften die Anwohner diesen Sommer noch ohne Störungen auskommen: »Wir beginnen im Osten«, schickt Bürgermeister Marcel Schlosser im Gespräch mit dieser Zeitung voraus. Und betont den dringenden Bedarf der Maßnahme im ehemaligen Schlossgarten, an dessen Grenze vor 500 Jahren die Stadtbefestigung erweitert wurde: »Da ist jahrzehntelang nichts passiert.« Doch Ende Oktober soll schon mal die rund 70 Meter lange Ostwand wieder befestigt sein. So zumindest die Hoffnung der Verwaltung für ein Projekt, das freilich viel Handarbeit erfordert.

Laut einem Gutachten derArchitekten Seidel & Muskau ist die Mauer, im Osten wie im Westen, an vielen Stellen »entfestigt«, sind die Fugen stark geschädigt, haben sich Steine aus dem bis zu 4,20 Meter hohen und 1,50 Meter breiten Bauwerk gelöst oder stehen kurz davor. Hinzukommen zerstörte oder von Bewuchs durchsetzte Mauerkronen sowie ein »möglicher Gründungsschaden« am Rondell. Fazit: »Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet«.

Also müssen an den Schadstellen Mörtel und Steine so weit abgetragen werden, bis ausreichend standsicheres Material vorhanden ist, muss sodann neu aufgemauert werden. Wo die Schäden geringer ausfallen, reicht es, die Verfugung auszustemmen und zu erneuern oder einzelne Steine neu aufzumauern oder »Ausbrüche auszuzwickeln«, wie der Fachmann es formuliert.

Im Vorfeld eingebunden in das Projekt war der Denkmalschutz, für die Umsetzung selbst ist für eine »restauratorische Begleitung« zu sorgen, sagt Schlosser.

1,3 Millionen Euro - für 150 Meter

Allein für die rund 150 Meter lange Ummauerung des alten Schlossgartens samt dem Rondell belaufen sich die veranschlagten Kosten auf 1,34 Millionen Euro.

Positive Nachricht: Sämtliche Maßnahmen hat das Land als förderfähig eingestuft. Damit kann Grünberg das Projekt komplett aus Mitteln finanzieren, die für das Sanierungsgebiet »Innenstadt II« bereitstehen. Entsprechender Topf wird zu zwei Dritteln von Wiesbaden, zu einem Drittel von der Stadt befüllt. Zum Ende nicht zu vergessen: Eine nach erwähnten Schäden im Jahr 2012 erstellte Schätzung des Investitionsbedarfs für die gesamte Stadtmauer hatte einen Bedarf von rund zwei Millionen Euro ergeben - eine Zahl, die »ziemlich obsolet« sein dürfte.

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