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Straßenbeiträge im Fokus

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Von: Christina Jung

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Warteschlange und Protest: Vor der Sport- und Kulturhalle in Muschenheim herrschte am Montagabend einiger Auftrieb. Anlass war eine Informationsveranstaltung zum Thema Straßenbeiträge. © Tina Jung

Wer soll in welcher Form künftig dafür zahlen, wenn in Lich Straßen grundhaft saniert werden müssen. Diese Entscheidung muss das Stadtparlament am 17. November treffen. Etwas mehr Klarheit in dieser Sache hat der eine oder andere möglicherweise bei einer Info-Veranstaltung zum Thema gewonnen, bei der sich tumultartige Szenen abspielten.

Schadhafte Straßen sind in den vergangenen beiden Jahren in Lich lediglich notdürftig repariert und nicht mehr grundhaft saniert worden. Einige sind mittlerweile aber in so schlechtem Zustand, dass eine Reparatur mit Blick auf die heutige Verkehrsbelastung nicht mehr ausreicht. Größere Baumaßnahmen stehen an. Doch wer soll dafür künftig zahlen? Das muss die Stadtverordnetenversammlung in zwei Monaten entscheiden.

Welche Optionen es gibt, darüber informierte am Montagabend in der Sport- und Kulturhalle in Muschenheim Rechtsanwältin Alexandra Rauscher, die auch als Verwaltungsdirektorin beim Hessischen Städte- und Gemeindebund tätig ist. Im Raum steht derzeit die von CDU und DBL geforderte Abschaffung der Straßenbeiträge, für die sich auch Grüne und FDP ausgesprochen haben.

Bereits seit Herbst 2016 sind die Straßenbeiträge Thema in Lich. Damals hatte der DBL-Stadtverordnete Andreas Müller-Ohly den Antrag gestellt, von einmaligen Beiträgen auf wiederkehrende umzustellen, diesen ein halbes Jahr später aber wieder zurückgezogen. Im Mai vergangenen Jahres brachte die CDU das Thema wieder aufs politische Tableau, forderte umfassende Informationen für Stadtverordnete und Bürger. Eine Info-Veranstaltung fiel der Pandemie zum Opfer. Im Frühsommer 2021 legten Christdemokraten und Demokratische Bürgerliste Anträge zur Abschaffung der Straßenbeiträge vor. Eine Entscheidung darüber wurde vertagt.

Dass sich die Stadtverordneten im Fall eines positiven Votums auch über eine Gegenfinanzierung Gedanken machen müssen, darauf wies Bürgermeister Dr. Julien Neubert zu Beginn der Veranstaltung deutlich hin. »Aus dem laufenden Haushalt können wir die Straßenbaumaßnahmen nicht finanzieren«, so Neubert mit Blick auf ein Defizit von mehr als 600 000 Euro im Ergebnishaushalt und eine nach wie vor von den Folgen der Pandemie (Mindereinnahmen und Mehrausgaben in Höhe von 2,5 Millionen Euro) geprägte finanzielle Situation der Stadt.

Dass Kommunen im Fall einer Beitragsabschaffung wenig Möglichkeiten haben, auf anderem Weg Einnahmen zu generieren, verdeutlichte die Referentin. Bei freiwilligen Leistungen zu sparen und/oder die Grund- bzw. Gewerbesteuer zu erhöhen, »sind die einzigen Schrauben, an denen Sie drehen können«. In der Folge stellte sie in ihrem gut einstündigen Vortrag die Möglichkeiten der einmaligen und wiederkehrenden Beiträge samt ihrer Vor- und Nachteile für Bürger und Kommune gegenüber.

Verfolgt wurde die Veranstaltung, was übrigens nicht nur für rund 90 Besucher live, sondern auch per Livestream möglich war, von vielen Stadtverordneten und Bürgern, darunter ein großer Teil aus dem Lager der Birklarer Bürgerinitiative, die die Abschaffung der Straßenbeiträge fordert. Einige hatten sich bereits vor Beginn vor der Halle postiert und Plakate aufgestellt. Protestaufschriften wie »Straße saniert - Bürger ruiniert«, »Rote Karte für die Strabs« oder »Wir Anlieger sagen, es reicht« war in großen Lettern darauf zu lesen.

Dass viele die Straßenbeiträge als ungerecht und unsozial ablehnen, wurde auch im Rahmen der vom Ersten Stadtrat Burkhard Neumann moderierten Frage-Antwort-Runde deutlich, die mitunter von tumultartigen Szenen begleitet wurde. Letzteres allerdings nicht wegen der Licher Bürger, die sich zu Wort meldeten, sondern aufgrund mehrerer Redebeiträge von Andreas Schneider, Sprecher der AG Straßenbeitragsfreies Hessen.

Der hatte sich offenbar auf die Fahne geschrieben, das Podium - insbesondere die Referentin und den Bürgermeister - zu diskreditieren. Mehrfach wurde er von Neumann dazu aufgerufen, sachlich zu bleiben. Auch aus dem Publikum blies ihm Gegenwind ins Gesicht. Mit Ausrufen wie »Nehmt dem Mann das Mikrofon weg« oder »Das ist unmöglich« taten Besucher ihren Unmut kund. Und auch der Bürgermeister schaltete sich ein: »Das, was Sie gesagt haben, trägt nicht zur Information bei.« Neubert forderte ihn auf zu erklären, warum er die Abschaffung der Straßenbeiträge »für eine richtig gute Sache« hält. Ausführungen dazu machte Schneider nicht. Und so blieb am Ende nur das Argument, das Beitragsgegner häufig anführen: Wenn alle die Straßen benutzen, sollten sie auch alle bezahlen.

Ob das die gerechtere Lösung ist, darüber müssen sich die Stadtverordneten in den kommenden Wochen klar werden. Am 17. November ist ihr Votum gefragt.

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