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Die Erinnerung wachhalten

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Von: Volker Heller

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Bürgermeister Peter Gefeller (2. v. r.) hat die Stolperstein-Putzaktion initiiert. Neun Gedenktafeln sind auf dem Bürgersteig in der Daubringer Straße 13 (Mainzlar) eingelassen. © Volker Heller

Staufenberg (vh). Zum 80. Jahrestag der Deportation jüdischer Bürger aus dem Nordkreis hat Bürgermeister Peter Gefeller nun in Mainzlar eine Stolperstein-Putzaktion initiiert. Auf dem Bürgersteig vor dem ehemaligen Wohnhaus Bahnhofstraße 13 hatte der Projektkünstler Gunter Demnig Ende September 2011 neun Gedenktafeln verlegt. Die Erinnerungssteine bestehen aus einer mit Beton hintergossenen Messingplatte.

Mit der Stilllegung der Lumdatalbahn wurde die Straße in Daubringer Straße umbenannt. Zwischen den Hausnummern 11 und 15 klafft heute eine Lücke. Das ehemalige Wohnhaus mit der Nummer 13 gibt es nicht mehr.

Gedenkrede

Die neun Stolpersteine erinnern an die Mitglieder der Familie Rosenthal (Lina Rosenthal/ihr Mann Isidor war bereits verstorben, Sohn Martin Rosenthal, Sohn Siegfried Rosenthal und seine Frau Thekla geb. Metzger, Tochter Elsa Karbe geb. Rosenthal und ihr Mann Adolf Leopold Karbe mit den Kindern Renate Jenni, Reha und Zilla Karbe). Die Messingoberfläche oxidiert unter feuchten Wetterbedingungen und verfärbt sich im Laufe der Zeit von hellbraun bis fast schwarz. Eigentlich sollte die Putzaktion im Beisein der Presse stattfinden. Doch wegen des Regenwetters hatte der städtische Bauhof diese Arbeit vorgezogen. Dabei wird auf der Plattenoberfläche grober Straßenschmutz entfernt, ein Messingputzmittel aufgetragen und damit gründlich poliert. Gefeller hielt im Beisein von Pfarrer Traugott Stein, dem Vorsitzenden des Impuls-Vereins, Peter Müller, und anderen eine Gedenkrede.

Dokumentation

Der Onkel seiner Ehefrau, Karl-Friedrich Zecher, habe damals drei Häuser weiter gewohnt, so Gefeller. Als Bub habe dieser am 14. September 1942 beobachtet, wie ein offener Lastwagen angehalten und die neun Personen mitgenommen hatte. Auf Anordnung der Gestapo (Neuen Bäue 23) hatten die Stadtwerke Gießen, Abteilung Elektrizitätswerk, den Bus VH 120521 auf eine nicht näher deklarierte Sonderfahrt geschickt. Das Fahrzeug hielt in Reiskirchen, Großen-Buseck, Daubringen, Lollar, Mainzlar, Treis, Allendorf/Lumda, Londorf, Kesselbach und Rüddingshausen. Unfreiwillig aufsteigen mussten die hier verbliebenen Juden. Sie wurden über Gießen und Darmstadt ins Vernichtungslager Treblinka verschleppt. Die Sammelfahrt bis Gießen stellten die Stadtwerke mit 79 Reichsmark und 90 Pfennig der Gestapo in Rechnung.

Gefeller erinnerte an dieses Verbrechen der Nazis, aber auch an das Versagen der Bevölkerung, letztlich der Nachbarn: »Es gab keine Menschenketten, die sich schützend um die zu Deportierenden stellten.« Einzig der erfolglose Versuch der Gemeindehebamme Gertrude Michel, den Neugeborenen Jungen Berl Nathan zu retten, sei überliefert. Insgesamt 29 Juden aus den Staufenberger Ortsteilen seien am 14. September vor 80 Jahren weggebracht worden.

Gefeller informierte, die Stolpersteine könnten bei Bedarf von jedermann gereinigt werden. Am 9. November werde im Kulturcafé (»Wohnzimmer«) des Impuls-Vereins die Dokumentation »Juden in Staufenberg - Stolpersteine« von Stadtarchivarin Barbara Wagner vorgestellt.

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