Der Ofen ist wieder an

Es ist ein Meilenstein für die Neuausrichtung der »Schamott«: Im Mainzlarer Werk von RHI Magnesita ist nun der 2020 stillgelegte Tunnelofen wieder angezündet worden. Er soll zu einer künftig breiteren Produktpalette beitragen und für 20 Jahre ununterbrochen laufen.
Hier war der Ofen längst aus - sprichtwörtlich und tatsächlich: Als im September 2020 bekannt wurde, dass in der »Schamott« einer von zwei Tunnelöfen herruntergefahren wird, läuteten im Lumdatal die Alarmglocken. Schließlich wurde die Stilllegung des 1907 gegründeten Werks beschlossen - doch dann gelang das »Wunder von Mainzlar«: Der Standort von RHI Magnesita bleibt erhalten, der Wiener Konzern erweitern die Produktion und investiert insgesamt 11,2 Millionen Euro in Mainzlar.
Allein 320 000 Euro davon sind laut RHI in die Umrüstung des 2020 stillgelegten, 150 Meter langen Ofens geflossen - und nun hat er wieder Feuer:
Bei einem Werkstermin haben am Donnerstagnachmittag Landrätin Anita Schneider und der hessische Wirtschafts-Staatssekretär Jens Deutschendorf in dicker Schutzmontur den Tunnelofen öffentlichkeitswirksam angefeuert. Während sie in die untere Ebene hinabstiegen und mit einer Art Lanze mit Brenner je eine Seite des Ofens entflammten, konnten Belegschaft und Ehrengäste auf Monitoren zuschauen. Ein nicht nur für die beiden Berufspolitiker besonderer Moment.
Einst sei hier Quarzit aus dem Umland verwendet worden, das Werk per Bahn via Lollar etwa mit dem Ruhrgebiet verbunden gewesen, brachte Michael Schneider in Erinnerung. Der bisherige Produktions- ist nun Werksleiter der »Schamott«. Er dankte den Unterstützern auf städtischer Ebene wie Bürgermeister Peter Gefeller, Schneider und Deutschendorf - vor allem aber Belegschaft und Betriebsrat, die für den Werkserhalt gekämpft hatten. »Was ihr in den letzten Jahren geleistet habt - sensationell!« Hier sei »eine Familie« aus »hoch qualifizierten Mitarbeitern« am Werk, die »sicher, effizient und nachhaltig« arbeite.
»Wir haben hier eine ganz spannende Geschichte am laufen«, sagte Deutschendorf. Mitarbeiter hätten »Lösungswege« aufgezeigt und den Konzern überzeugt, dass es sinnvoll sei, hier zu investieren. Die Entwicklung am Standort sei »beispielgebend«, habe hohe Bedeutung für die gesamte Region. Auch das Land habe seinen Beitrag geleistet. Der Staatssekretär erwähnte, dass RHI den Wiederanschluss an die Schiene zur Bedingung für den Werkserhalt gemacht hatte - und das sei auch notwendig gewesen. Mit Fördermitteln habe man rasch eine Lösung gefunden und es »hinbekommen«, vom Bund beziehungsweise der DB die Trasse bis Lollar zu erwerben, »eigentlich wollen die keine Strecken verkaufen«.
»Die Hessische Landesbahn (HLB) hat sich auf den Weg gemacht«, so Deutschendorf zum aktuellen Stand in Sachen Güterverkehr zur »Schamott«. Leistungen seien ausgeschrieben, der Gleisbau solle im Juni starten, Technik an der Strecke teils schon vorher instand gesetzt werden. Es laufe »alles nach Plan«, um den Güterverkehr bis Lollar wie vereinbart Anfang 2024 aufzunehmen. Von solchem Tempo können die Anhänger der Lumdatalbahn nur Träumen. Doch auch da gebe es Bewegung, sagte Deutschendorf und verwies auf den geplanten Streckenerwerb bis Londorf durch die HLB, die noch dieses Jahr Planungsleistungen ausschreiben wolle.
Der Tunnelofen, Baujahr 1958, ist laut RHI über sieben Monate hinweg aufwändig umgerüstet worden. Ziel ist, in ihm künftig bis zu 50 000 Tonnen Material pro Jahr zu brennen. Dafür braucht es auch neue Mitarbeiter - die Suche nach ihnen laufe »im Prinzip sehr gut«, sagte Werksleiter Schneider, doch es fehle an Fachkräften im Mechanik- und Elektronikbereich.
Die Wiederanfeuerung des Ofens ist Teil der »strategischen Neuausrichtung« des Werks: Neben Magnesit, das vor allem für die Glasindustrie eingesetzt wird, sollen nun auch Feuerfest-Steine aus Dolomit gebrannt werden, als neue Produktlinie für die Stahl, Edelstahl- und Zementindustrie.
Der Konzern will flexibler sowie unabhängiger von globalen Lieferketten werden, neue Kunden in Europa erreichen - nun eben auch mit Dolomitprodukten. RHI Magnesita unterstreicht die »strategische Nähe« des Mainzlarer Werks zu europäischen Kunden als Wettbewerbsvorteil. Es sei wichtig, die hiesige Feuerfest-Industrie auszubauen, damit auch die Industrie als Abnehmer unabhängig bleibe, so Werksleiter Schneider beim Termin.
Aktuell wird der Tunnelofen mit Gas betrieben - zum Glück sei die Mangellage bisher nicht eingetreten, so Schneider. Für den Ofen könne auch LNG, also Flüssigerdgas verwendet werden, für die »Schamott« sei nun ein 48-Tonnen-Tank geplant. Auch durch eine neue Tunnelisolierung würden Ressourcen eingespart, im Werk schon jetzt »grüner Strom« verwendet.
Man gehe nun in die Richtung, »in der Region für die Region zu investieren«, so RHI-Deutschland-Vorstand Tim Steenvoorden im Gespräch mit der GAZ. Das Unternehmen stelle sich von weltweiten nun eher auf regionale Lieferketten um, die Pandemie und der Krieg in der Ukraine hätten »klar dargestellt, dass das der richtige Weg ist«. Perspektivisch wolle man bei - noch vagen - Plänen der Stadt Staufenberg mitziehen, aus regionalem Strom »grünen Wasserstoff« zu gewinnen, so Steenvoorden. Da sei man interessiert und »im Gespräch«. Bezüglich der LNG-Nutzung für den Ofen sagte er: »Wir hoffen, dass wir es in den nächsten Monaten umsetzen können.«
Bis der Tunnelofen wieder volle Leistung bei bis zu 1720 Grad Celsius bringt, kann es laut Mitarbeitern zwei bis drei Wochen dauern. Er läuft nun rund um die Uhr - laut RHI für die nächsten 20 Jahre. Wenn nichts dazwischen kommt.