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Spielräume werden enger

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Nur mit einem Griff in die Rücklage wird der Kreishaushalt im kommenden Jahr ausgeglichen werden können. Landrätin Anita Schneider sieht die Kreisfinanzen im zweiten Jahr im Zeichen von Corona nach guten Jahren an einem Wendepunkt.

Nur mal angenommen: Würde jeder der rund 270 000 Kreisbürger 374 Euro in die Kreiskasse einzahlen, dann wäre der Landkreis Gießen schuldenfrei. Das wird so nicht passieren - aber die Zahl hat dennoch Bedeutung. Die Pro-Kopf-Verschuldung im Kreis ist damit nur etwa halb so hoch wie im Schnitt der hessischen Landkreise. Da liegt der Wert nämlich bei 758 Euro. Warum führt Landrätin Anita Schneider dies bei der Vorstellung der Haushalts-Eckdaten für das kommende Jahr an? Um zu zeigen, dass der Kreis ordentlich gewirtschaftet hat. Trotz kräftiger Investitionen in Schulen, ins Gefahrenabwehrzentrum und in sozialen Wohnungsbau wurden Schulden getilgt und Rücklagen gebildet.

Die braucht es jetzt auch: Denn im kommenden Jahr kann der rund 430 Millionen Euro schwere Haushalt des Kreises nur noch ausgeglichen werden, wenn 5,1 Millionen Euro aus der Rücklage genommen werden. Das zeigt der Etat-Entwurf, den Schneider gestern dem Kreistag zur weiteren Beratung vorgelegt hat. Die Landrätin befürchtet, dass es so weitergeht. »Wir hatten gute Jahre. Doch jetzt sind wir wieder an einem Wendepunkt. Es zeichnet sich eine schlechtere Entwicklung der Haushaltslage ab«, prophezeit die Sozialdemokratin und nennt den Haushalt 2022 »eng gestrickt«. Sie verweist auf die pandemiebedingt gebremste gesamtwirtschaftliche Erholung, steigende soziale Leistungen, die zu erbringen sind, steigende Verbraucherpreise und nicht zuletzt aus alledem resultierend Änderungen im kommunalen Finanzausgleich, den das Land vornimmt. Zudem zeichnen sich bei den Kommunen geringe Gewerbe- und Einkommenssteuer-Einnahmen ab. Das Treffen des Kreis dann etwas zeitverzögert

Mit Sparen allein bei freiwilligen Leistungen ist es wohl nicht getan, denn da geht nicht mehr so rasend viel, wie eine andere Kennziffer zeigt. Während der Hochtaunuskreis mehr als 18 Euro je Bürger an freiwilligen Leistungen veranschlagt, und der benachbarte Vogelsbergkreis knapp 12,40 Euro, so sind es im Kreis Gießen weniger als 3,50 Euro. Nur in den Landkreisen Fulda und Darmstadt-Dieburg liegen diese Werte niedriger. Schneiders trockener Kommentar: »Wir sind durchkonsolidiert.«

Trotz der perspektivisch eher weniger erfreulichen Entwicklungen will die Landrätin die Kreisumlage um 0,5 Prozentpunkte auf einen Hebesatz von 33,4 senken. Das entlastet die Kommunen etwas, die mit dieser Umlage die Arbeit des Kreises mitfinanzieren. Auf der anderen Seite soll die Schulumlage um 0,5 Prozentpunkte angehoben werden, um die Schullandschaft zu finanzieren.

Ungeachtet der sich verschlechternden Rahmenbedingungen sieht Landrätin Schneider die Notwendigkeit zu investieren: 46,5 Millionen stehen an. Zieht man 13,8 Millionen Fördergeld ab, bleiben für den Kreis 32,7 Millionen Euro zu stemmen. Stolze 38,7 Millionen Euro sind im kommenden Jahr allein für Schulen vorgesehen - neben anderem für Neubauten in Staufenberg, Watzenborn-Steinberg und Annerod sowie die durchgreifende Sanierung der Kreisberufsschule. In den vergangenen beiden Jahren standen da rund zehn Millionen Euro weniger. Auch in Sachen IT sollen nächstes Jahr 1,6 Millionen Euro bereitstehen.

Signale, die bei der Kreis-Koalition von CDU, Grünen und Freien Wählern positiv ankommen dürften. Denn just auf diesen Feldern will die Koalition Schwerpunkte setzen. Nicht in den Haushalt eingepreist ist derweil beispielsweise das Klimageld, mit dem die neue Mehrheit einen niedrigschwelligen Anreiz zum energetischen Sanieren älterer Häuser geben will. Eine Förderrichtlinie dazu ist in Arbeit. Wie viel Geld allerdings bereitgestellt werden soll, das ist noch nicht beschlossen. Will heißen: Wenn das Klimageld schon 2022 kommen soll, dann muss dafür ebenfalls in die Rücklage gegriffen werden - oder aber es ist bei anderen Haushaltsposten zu sparen oder aus anderen Bereichen umzuschichten.

»Setzen Sie kluge Prioritäten«, appelliert Schneider daher an die Kreispolitiker: »Was ist wirklich wichtig in den kommenden Jahren?« Wie die Mehrheit sich das weitere Vorgehen vorstellt, das werden die Beratungen des Haushaltsentwurfes in den Fachausschüssen in den kommenden Wochen zeigen.

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