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Siebte »Mühle« für Weitershain

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Von: Thomas Brückner

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Blick auf den Windpark am »Noll«, in zwei Jahren soll sich auf Weitershainer Gemarkung eine siebte »Mühle« drehen. © Thomas Brueckner

Ein Beispiel für die friedliche Nutzung ehemaliger Militäranlagen findet sich in Rabenau: Seit 2015 erzeugen Windräder auf dem Areal des einstigen Nato-Lagers am »Noll« grünen Strom. Der Betreiber Trianel plant nun die Erweiterung des Windparks um eine siebte »Mühle« - auf Privatgrund. Dennoch gehen die Nachbarkommunen nicht völlig leer aus.

Der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energieen zählt zu den Eckpunkten des Koalitionsvertrages der neuen Bundesregierung, den die Vorsitzenden der »Ampelparteien« am 7. Dezember des Vorjahres unterzeichnet haben. Das viele Politikfelder umfassende »Querschnittsthema« Klimaschutz hat mit dem Ukraine-Krieg weitere Dynamik erlangt. Als Argument für mehr grüne Energie ist die Unabhängigkeit von Importen fossiler Energieträger aus Russland hinzugetreten.

Zu Ostern präsentierte so Wirtschaftsminister Robert Habeck ein Bündel aus Gesetzesinitiativen. Im Falle der Verabschiedung würde es auch der Windkraft neuen Auftrieb bescheren. Würde doch der Bau neuer Anlagen fortan als »überragendes öffentliches Interesse« definiert. Einsprüche, begründet etwa mit dem Schutz bedrohter Vogelarten oder des Waldes, würden erschwert.

Auf schneller abzuschließende Planungs- und Genehmigungsverfahren wird auch der Betreiber des zweitältesten Windparks im Kreis hoffen, Am »Noll«, ein bis 1993 von der US-Armee betriebenes Nato-Versorgungslager oberhalb von Geilshausen, plant die Trianel GmbH den Bau einer siebten »Mühle«. 2015 hatte das Aachener Unternehmen den damals noch im Bau befindlichen Windpark von der iTerra GmbH gekauft. Die sechs Windkraftanlagen des Typs GE 2.5-120 aus dem Hause General Electric haben eine Leistung von jeweils 2,5 Megawatt.

Der Bestandspark am »Noll«, bestätigte Trianel soeben auf GAZ-Anfrage, soll um eine Anlage erweitert werden. Der Antrag auf Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz liegt danach bereits auf dem Schreibtisch der Fachabteilung beim Regierungspräsidium Gießen.

Was schon mal für ein Placet des RP spricht: Errichtet werden soll auch die siebte »Mühle« innerhalb des Vorranggebietes Windenergie Nr. 4108, ausgewiesen im Sachlichen Teilplan Erneuerbare Energien Mittelhessen.

Der Standort befindet sich im Privatwald, in der Gemarkung Grünberg-Weitershain, nahe der Grenze zur Gemeinde Rabenau. Es wäre damit bereits die zweite Windkraftanalage, die sich im Wald des Grafen von Schwerin befände.

Die Aachener planen aktuell mit einer Anlage vom Typ N 163 des Unternehmens Nordex (siehe Kasten). Mit einer Nabenhöhe von 164 Metern wird die neue Anlage die Bestandsanlagen um gut 20 Meter überragen. Der Rotorendurchmesser beträgt 163 Meter, macht eine Gesamthöhe von 245 Metern. Die Nennleistung entspricht laut dem Hersteller 5700 Kilowatt.

»Mit diesem Vorhaben«, stellt Trianel heraus, »können rund 4000 bis 4500 weitere Haushalte im Jahr mit Strom versorgt werden.« Zur Erinnerung: Die bisher sechs Anlagen sollten insgesamt, Stand 2015, den Bedarf von »nur« 9500 Haushalten decken.

Die Branche belastende Faktoren, etwa Lieferschwierigkeiten bei in Fernost produzierten Rotoren oder die explodierenden Stahlpreise, ficht den Projektierer übrigens nicht an. »Wir gehen davon aus, dass das Genehmigungsverfahren, die Tarifausschreibungen und der Bau der Anlage im Jahr 2024 abgeschlossen sein werden«, verlautete auf Nachfrage dieser Zeitung. Ob sich aufgrund des aktuellen politischen Umfelds daran etwas ändere oder es zu Verzögerungen komme, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. »Wir gehen aktuell nicht davon aus.«

Da auf Privatgrund errichtet, dürfen Kommunen hier nicht auf satte Pachteinnahmen hoffen. Immerhin, weiß auch Rabenaus Bürgermeister Florian Langecker, winkt dank der letztjährigen Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes eine finanzielle Beteiligung der direkt angrenzenden Nachbarn. Sogenannter »Windpfennig«, gedacht als Anreiz zum Bau neuer Anlagen, macht 0,2 Cent je Kilowattstunde aus. Der Betreiber muss dafür nicht aufkommen, erhält ihn direkt als Aufschlag auf den Vergütungstarif gemäß Ausschreibungsverfahren.

Langecker rechnet mit einem höheren fünfstelligen Betrag. Nicht allein dank der siebten »Mühle« am Noll, sondern wegen des Repoweringprojekts für Rüddingshausen, das sich ebenso im Genehmigungsverfahren befinde.

Dieser Windpark wird von zwei Unternehmen betrieben. Vier der sieben Anlagen stammen aus 2008, sind die ältesten im Kreis. Doch sollen sie durch zwei erheblich leistungsstärkere Anlagen ersetzt werden. Die Stromproduktion am Standort werde sich laut Betreiber Juwi von vier auf über 25 Millionen Kilowattstunden erhöhen.

Sämtliche »Mühlen« nahe Rüddingshausen stehen auf Privatgrund. Anders dagegen der »Noll«, der nach Auflösung des Nato-Lagers an die Gemeinde fiel. Die fünf Anlagen dort spülen - in der Summe aus fixer Pacht und Ertragsbeteiligung - jährlich rund 80 000 Euro in die klammen Kassen der Rabenau.

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