Schreckgespenst Lockdown lässt Gastronomen im Kreis Gießen bangen

Die Gastronomen rund um Gießen hoffen nach dem Lockdown-Winter 2020 auf ein halbwegs normales Weihnachtsgeschäft. Doch aufgrund steigender Inzidenzen wächst die Sorge.
Gießen/Lich – Sonntagabend im Licher Restaurant »Savanne«. Wirt Ghirmay Habton bringt gerade eine Runde Getränke an einen Tisch. Ein Lächeln von ihm sehen die Gäste derzeit nur selten - nicht etwa, weil es ihm vergangen wäre, sondern weil er Maske trägt. Aber die Augenpartie verrät, dass die Grundstimmung gut ist. Noch. Denn ein Schreckgespenst geht in der Gastronomiebranche um: ein erneuter Lockdown.
Als im November 2020 ein »Brückenlockdown« angekündigt wurde, gingen Habton und viele andere Wirte davon aus, dass sie Weihnachten wieder öffnen könnten. Daraus wurde nichts, die Brücke reichte bis weit ins Jahr 2021. Die Restaurants mussten mit Abhol- und Lieferangeboten über die Runden kommen, teils monatelang auf die angekündigten Staatshilfen hoffen.
Lich (Kreis Gießen): Stammkundschaft in Wirtshaus froh um 2G-Kontrollen
Die Hoffnung bestand - nicht nur in der Gastronomie, sondern wohl bei den meisten Menschen - dass die Politik über den Sommer hinweg ein Konzept entwickeln und umsetzen würde, um einen zweiten Corona-Winter abzumildern. Dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen, um die Ausbreitung einzudämmen und sich selbst vor schweren Krankheitsverläufen zu schützen. Dass ein erneuter Lockdown erspart bleibt, dass Weihnachten und Silvester dieses Jahr wieder - wenn auch in kleineren Rahmen - gefeiert werden können.
In Hessen gilt ab dem morgigen Donnerstag, 25. November, in der Gastronomie 2G, nur Genesene und Geimpfte haben dann noch Zutritt (lesen Sie hier alle neuen hessischen Corona-Regeln). Markus Schneider vom Licher »Gasthaus Schneider« weiß noch nicht, wie er dies einschätzen soll. Er hofft, dass es bei dieser Regelung bleibt und keine weiteren Verschärfungen kommen. Die Umsetzung von 2G sei in seinem Gasthaus kein großes Problem: Die Stammkundschaft sei in einem Alter, in dem die meisten geimpft seien. »Sie sind froh, wenn kontrolliert wird«, sagt Schneider.
Restaurants im Kreis Gießen: Corona-Regel 3G hat Kunden verschreckt
Stefan Herzog, Vorsitzender des Kreisverbandes Gießen/Gleiberger Land des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA), berichtet, dass viele Restaurants bereits gute Erfahrungen mit 2G gemacht hätten. »Wo es viel Stammkundschaft gibt, funktioniert es sehr gut.«
Zudem seien viele Gasthäuser so gebaut, dass die 3G-Regeln sich nur schwer einhalten ließen. »Da war baulich der vorgeschriebene Abstand zwischen den Tischen gar nicht möglich.« Auch habe 3G Kunden verschreckt. »Wenn eine Familie seit Jahren zum Essen kommt und nun 3G gesehen hatte, gingen die Gedanken los. Man geht mit einem mulmigen Gefühl in den Gastraum.« Mit 2G hätten sich viele Gäste einfach sicherer gefühlt, so die Einschätzung von Herzog.
»Savanne«-Wirt Habton hat beobachtet, dass 3G zuletzt, als die Tests Geld kosteten, sowieso keinen Sinn ergeben hätten. »Die Leute bezahlen keinen Test, um dann einmal essen zu gehen.« Nur wenige hätten darüber diskutiert, wenn er ihnen mangels Impf-, Genesenen- und Testnachweis den Eintritt verwehren musste. Stattdessen hätten sie von sich aus Speisen zum Abholen an der Restauranttür bestellt.
Kreis Gießen: Abgesagte Weihnachtsfeiern bereiten Gastronomie Sorgen
DEHOGA-Kreisvorsitzender Herzog begrüßt, dass die Politik eine klare Ansage macht und sich die Gastronomen nicht mehr für 2G rechtfertigen müssen. Dennoch hat er Sorgen: »Die dunkle Wolke ist immer da. Die Angst vor notwendigen Beschränkungen läuft im Hinterkopf ständig mit.« An einen erneuten Lockdown möchte er nicht denken. »Ich denke, es könnten noch mehr Einschränkungen kommen, aber keine generellen Schließungen.« Er hofft auf klare und langfristige Zeichen aus der Politik.
Denn die Gastronomen müssen langfristig kalkulieren und Ware ordern, zudem den Einsatz von Personal planen. Bereits jetzt haben Gaststätten und Caterer Probleme, da reihenweise Weihnachtsfeiern - nachvollziehbarer Weise - abgesagt werden. Jedoch bleiben die Betriebe auf den bestellten Lebensmitteln sitzen.
Auch bei Schneider in Lich häufen sich die Absagen von Weihnachtsfeiern. Dafür seien jedoch die Tische am zweiten Feiertag fast ausgebucht, auch die Belegung des Hotels sei gut. »Die Anfragen kamen dieses Jahr viel früher als sonst.«
Lockdown über Weihnachten hätte dramatische Folgen für Restaurants im Gießener Land
Sollten die Restaurants über die Weihnachtszeit hinweg wieder schließen müssen, fürchtet Schneider dramatische Folgen für die Branchen. Sein Betrieb sei dank mehrerer Standbeine und treuer Kundschaft gut aufgestellt und durch die beiden Lockdowns mit einem blauen Auge davongekommen, auch dank Speisen zum Mitnehmen. »Aber bei vielen anderen wird es eng.«
Auch Gastwirt Habton hofft auf das Weihnachtsgeschäft. »Es gibt noch freie Plätze«, sagt er. Sollte es wieder einen Lockdown geben, werde man auf das Abholangebot wechseln. Es seien zwar Einschränkungen, aber welche, mit denen man leben könnte. »Ich habe als Jugendlicher den Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea erlebt, bin davor nach Deutschland geflohen. Da habe ich derzeit deutlich weniger Sorgen.« (Patrick Dehnhardt)