»Schlimm wird es für Frauen über 50«

Anja (52) und Gerit Kling (57) sind wohl Deutschlands bekanntestes Schwesternpaar, seit Jahrzehnten sind sie als Schauspielerinnen erfolgreich. Von den Höhen und Tiefen ihres Lebens erzählen sie in ihrem ersten gemeinsamen Buch, aus dem sie am Sonntag in Grünberg lesen. Zuvor spricht Anja Kling im Interview über die Glanz- und Schattenseiten des Schauspielberufs, ihre gemeinsame Flucht aus der DDR und über Eifersucht und Konkurrenz.
Zwei Schwestern schreiben ein Buch: Wie ist dabei ganz praktisch die Arbeit verlaufen?
Meine Schwester und ich sind vom Aniston-Verlag gefragt worden, ob wir Lust hätten, zusammen ein Buch über uns zu schreiben. Wir hatten Lust und bekamen dafür freundlicherweise Hilfe angeboten. Olaf Köhne und Peter Käfferlein, zwei sehr erfahrene Schreiberlinge, wurden unsere Co-Autoren.
Wie sind Sie beim Schreiben vorgegangen?
Wir trafen uns regelmäßig, erzählten tausende Geschichten von früher bis heute, schrieben sie auf, verwarfen einiges wieder, schrieben um und neu auf, bis irgendwann daraus dieses Buch wurde.
War das schwierig?
Am schwersten war es, den Anfang zu finden und uns in den Geschichten einig zu werden. Nicht nur einmal mussten wir unsere Eltern anrufen und nach der Wahrheit fragen, weil Gerit und ich manches in so extrem unterschiedlicher Erinnerung hatten.
Sie flohen bekanntlich fünf Tage vor dem Mauerfall in den Westen. Warum zu diesem Zeitpunkt? Waren damals die bevorstehenden Ereignisse nicht abzusehen, die eine Flucht überflüssig gemacht hätten?
Nein, das bildet man sich heute gerne mal ein. Es war überhaupt nicht absehbar, dass fünf Tage später die Mauer fallen würde. Im Gegenteil, wir befürchteten eine Grenzschließung zur damaligen CSSR. Das hätte dann bedeutet, dass wir gar nicht mehr aus der DDR herausgekommen wären.
Wie wichtig war es für Sie, dass Sie die Flucht gemeinsam vorgenommen haben?
Es war für mich tatsächlich weniger eine politische als mehr eine Entscheidung der gerechten Aufteilung. Ich war ja erst 19, und es schien mir einfach besser, meine Schwester bei der Flucht zu begleiten, als sie ganz allein gehen zu lassen. Nach dem Motto, wir Zwei haben uns dann dort und unsere Eltern haben sich zu zweit hier. Ich hoffte, dadurch leichter mit dem Trennungsschmerz klarzukommen. Dem war aber dann bei Weitem nicht so.
Sie kamen erst über Umwege zur Schauspielerei: War Ihnen dabei Ihre Schwester Vorbild?
Ich habe mich lange gegen die Schauspielerei gewehrt und verschiedene andere Studienrichtungen ausprobiert. Ich schrieb mir einfach nicht besonders viel schauspielerisches Talent zu, da ich im Wesen als Kind und Jugendliche ganz anders war als meine temperamentvolle Schwester. Als schüchternes und eher zurückhaltendes Mädchen meinte ich, in einen anderen Beruf zu gehören. Meine Schwester gab mir dann tatsächlich den Schubs in die richtige Richtung, als sie mir riet, es doch trotzdem mal an der Schauspielschule zu versuchen. Das habe ich getan.
Wie schwierig war es in der Wendezeit, Fuß im Westen zu fassen, auch beruflich?
Natürlich mussten wir uns an das neue Land mit seinen Eigenschaften, Menschen, Mentalitäten, Werten und Gerüchen erst einmal gewöhnen. Aber wir waren jung und in Berlin. Das ging also verhältnismäßig schnell. Beruflich ging es für mich im Grunde im Westen nahtlos weiter, nur dreht ich eben nicht mehr ausschließlich in Berlin, Leipzig und Dresden, sondern auch in München, Hamburg und sogar im Ausland.
Zwei Schwestern in einem Beruf, bei dem man im Rampenlicht steht. Wie steht das da um Eifersucht, um Konkurrenzdenken?
Natürlich ist es manchmal schwer, wenn die Eine mit Anfragen überhäuft wird und die Andere nicht. Das macht vielleicht ein bisschen traurig und zwar uns beide. Aber mehr als diese Traurigkeit kommt nicht auf, denn wir sind in keiner Weise missgünstig oder empfinden uns als Konkurrentinnen. Wir lieben und achten uns sehr und freuen uns stets über den Erfolg der Anderen.
Sind Sie beide sich gegenseitig die kritischsten Rezensenten?
Ich denke schon. Wir kritisieren und loben uns und versuchen einfach stets ehrlich miteinander umzugehen.
Sie schreiben auch von den Schattenseiten Ihres Berufes. Worin liegen die?
Unser Beruf ist der Schönste, den es gibt, wenn man gefragt ist, wenn man genügend Angebote erhält und in allen Genren zu Hause ist. Wenn man regelmäßig Komödie, Drama, Thriller und was es sonst noch so alles gibt in der eignen Vita findet, dann kann man sich wirklich glücklich schätzen.
Und wenn nicht?
Wenn du zu Hause das Telefon anstarrst, in der Hoffnung, dass es endlich klingelt und dir jemand eine schöne Rolle anbietet, dir das Telefon aber diesen Gefallen einfach nicht tut, dann ist dieser Beruf einfach nur grausam. Es gibt so viele Film-Schauspieler und -Schauspielerinnen in unserem Land, die nicht von ihrem Beruf leben können und deshalb einen zweiten Job annehmen müssen oder auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Ganz schlimm wird es für Frauen über 50. Nicht, dass es an guten Drehbüchern mangelt für diese Altersgruppe, die gibt es sehr wohl. Aber Sender und Redaktionen besetzen eine auf 50 geschriebene weibliche Mutterrolle mit 15-jährigem Kind dann eben doch lieber mit einer 35-Jährigen.
Würden Sie jungen Frauen dennoch empfehlen, den Beruf zu ergreifen?
Ich würde jeder jungen Frau, die unbedingt Schauspielerin werden will, zwar nicht davon abraten, aber ich würde ihr auf jeden Fall dringend raten, noch einen Plan B im Gepäck zu haben. Einen anderen Beruf, sicheres zweites Standbein, auf das sie im Notfall zurückgreifen kann.
Sie schreiben, dass man am besten durchs Leben komme, wenn man sich nicht zu ernst nehme. Wie bekommen Sie das hin?
Ich glaube, dass es im Leben immer hilfreich sein wird, Humor zu haben. Freundlich zu sein, viel zu lachen, optimistisch zu bleiben, sich nicht runterziehen zu lassen. Das ist es, was mir in dunkleren Zeiten stets geholfen hat. Und dazu gehört auch, über sich selbst lachen zu können, Fehler und Macken liebevoll hinzunehmen. Bei sich genauso wie bei seinem Gegenüber.