Sanierung in veränderter Form

Einstimmig hat sich der Lollarer Bauausschuss am Dienstag für eine zeitgemäße Umgestaltung der früheren Bahnbrücke über die Lahn nach Wißmar ausgesprochen. Die 1987 vereinbarte Kostenteilung mit der Nachbargemeinde Wettenberg sorgt teils für Verwunderung.
Die Stadt Lollar ist reich an Gewässern - und damit auch an Brücken. Neben jener in der Bachstraße in Salzböden beschäftigt zurzeit auch die Rad- und Fußgängerbrücke über die Lahn zwischen Lollar und Wißmar die Kommunalpolitik. Anfang des Jahres hatten Industrie-Kletterer das Bauwerk aufwendig inspiziert und kamen zu einem Ergebnis, das vorherige Untersuchungen schon vermuten ließen: Die Brücke auf der vor Jahrzehnten stillgelegten Trasse der »Kanonenbahn« zwischen Lollar und Wetzlar weist erhebliche Schäden auf, muss dringend in Angriff genommen werden. Fahrräder dürfen zurzeit nur über die Brücke geschoben werden. Sie wird, wie schon vor rund zehn Jahren eine Langzeit-Zählung ergeben hatte, gerade von Radfahrern intensiv genutzt, liegt auf dem Fernradweg R7. Neben der touristischen Relevanz ist die Brücke auch für etliche Berufspendler von Bedeutung.
Am Dienstag hat der Lollarer Bauausschuss über eine Sanierungsvariante samt Kostenschätzung beraten, die ein beauftragtes Planungsbüro vorgelegt und empfohlen hatte. Demnach soll das alte Bauwerk für gut 1,1 Millionen Euro saniert werden. Diese Variante sieht vor, den Überbau der Brücke komplett abzuräumen. Die sogenannten Kragarme, also der nicht mehr genutzte Kontrollsteg der einstigen Bahnbrücke sowie der seitliche Rad- und Gehweg, werden, so der Vorschlag, ersatzlos abgetragen, der Rad- und Gehweg nach Abbau der Gleiskörper mittig auf die alte Bahntrasse verlegt.
Zudem ist eine Verbreiterung des Wegs von 2,25 auf etwa 2,60 Meter vorgesehen. Die stählerne Trägerkonstruktion der Brücke soll erhalten bleiben und nachhaltig instand gesetzt, das Bauwerk aber auf die aktuelle Nutzung angepasst werden. Dies birgt laut dem Büro den Vorteil, dass »die Unterhaltungskosten für unnötige Konstruktionsteile dauerhaft entfallen«.
Eine weitere Variante, nämlich der Erhalt in der jetzigen Form samt der Kragarme, wurde am Montag nicht weiter diskutiert. Laut Bürgermeister Dr. Bernd Wieczorek würde dies den Nachteil mit sich bringen, dauerhaft Bestandteile unterhalten zu müssen, die nicht mehr gebraucht werden.
Der Ausschuss sprach sich einstimmig für die Umgestaltung der Brücke, also die vorgeschlagene Variante aus.
Die geschätzten Gesamtkosten unterteilen sich in Investitionskosten (etwa 660 000 Euro) und Kosten für die Unterhaltung bestehender Teile (rund 475 000 Euro). Das Geld soll im Haushalt 2022 eingeplant werden. Aus dem Ausschuss kam die Frage, wie belastbar die Kostenschätzung sei. Dem Bürgermeister zufolge könnte sich die Summe in der Detailplanung noch einmal verändern, doch fürs Erste plane man auf Basis der Schätzung. Laut Beschlussvorlage aus der Verwaltung steht für die Sanierung eine 90-prozentige Förderung über ein Nahmobilitätsprogramm des Landes in Aussicht. Jedoch sei noch unklar, ob dies auch in voller Höhe für die Unterhaltungsmaßnahmen gilt, etwa Korrosionsschutz und Instandsetzung der Mauerpfeiler.
Baulastträger ist die Stadt Lollar, allerdings liegt die Brücke auf der Grenze zu Wißmar, die Lahn markiert den Übergang zur Nachbargemeinde Wettenberg. Für sie ist die Brücke auch deshalb von Bedeutung, weil an dieser Stelle die Abwasserleitung von Wißmar zum Lollarer Klärwerk verläuft. Bei einem Termin mit Vertretern aus Wettenberg habe man sich Ende Oktober auf die vorgeschlagene Variante verständigt, erläuterte Wieczorek.
Für Erstaunen sorgte am Dienstagebend die Kostenteilung zwischen beiden Kommunen: Laut einem Vertrag von 1987 trägt die Stadt Lollar die Unterhaltungskosten zu 75 Prozent, auf Wettenberg entfallen dagegen nur 25 Prozent. Laut Stadtverwaltung gilt diese Aufteilung auch im Falle einer »notwendigen, grundlegenden Konstruktionsänderung«. Lollar geht nun zunächst in Vorleistung.
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei Lollar noch finanzstärker gewesen, so der Bürgermeister, »die Wettenberger müssten bescheuert sein, wenn sie davon zurücktreten«. Wolfgang Haußmann (Grüne) erkundigte sich, ob dieser Vertrag »bis zum Sankt-Nimmerleinstag« gelte. Wieczoreks Antwort: »So lange die Brücke steht, fürchte ich: Ja.«