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Reqiuem für eine feine Idee

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Von: Patrick Dehnhardt

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Der Brunnen ist trocken, das Unkraut sprießt: Die Saline wirkt vergessen. © Patrick Dehnhardt

Salinen dienten einst der Salzgewinnung. Während die Anlagen in Bad Salzhausen und Bad Nauheim täglich Touristen anlocken, verirrt sich kaum jemand an die Saline in Trais-Horloff. Zum einen, weil diese versteckt liegt. Zum anderen, weil dort kein Wasser mehr rieselt. Ein Requiem für eine schöne Idee.

Es macht traurig, ja sogar ein bisschen wütend, wenn man zur Trais-Horloffer Saline geht. Dass es dorthin noch nie einen ordentlichen Fußweg gab, sondern man zusammen mit dem Autoverkehr Richtung Steinheim über eine schmale Brücke muss - geschenkt. Aber sobald man da ist, sieht man wuchernde Hecken und einen Kiesweg voller Unkraut. Dass dieses bei Dürre im ganzen Land nicht erst seit gestern dasteht, dürfte klar sein. Aus dem Brunnen sprudelt kein Wasser, und auch die für Salinen typischen Reisigwände sucht man vergebens.

Dieser Ort scheint vergessen - und dies ist besonders schade, da er mit viel Herzblut, Ehrenamt und nicht zuletzt Steuergeld geschaffen wurde. Bei der Einweihung 2005 sah das noch anders aus: »Eine gelungene Sache ist der Bau des neuen Sauerbrunnens und der Saline. Dass die beiden Bauwerke große Bedeutung für die Bewohner des Hungener Stadtteils haben, zeigte die große Zahl der Bürger, die am Festakt teilnahmen«, berichtete damals Reporter Horst Lember »(tr)« für diese Zeitung.

Salinen dienten einst der Salzgewinnung. Heute sind die Exemplare in Bad Salzhausen und Bad Nauheim bei Menschen beliebt, die ihren Atemwegen etwas Gutes tun wollen. Dass solch ein Exemplar auch in Trais-Horloff gebaut wurde, hat einen historischen Hintergrund. Bereits seit Jahrhunderten wurden salzhaltige Quellen im Horlofftal genutzt.

Um das Jahr 1700 etwa waren »Tröpfelwerke« im Einsatz. Dabei lief das salzhaltige Wasser über Strohwände. Bei jedem Durchlauf verdunstete ein wenig Wasser, bis schließlich eine stark salzhaltige Sole zurückblieb. Diese wurde in der Siederei erhitzt, bis nur noch das Salz zurückblieb.

Im Jahre 1763 ließ Graf Christian August zu Solms-Laubach eine Saline bauen. Standort war rund 200 Meter von der heutigen Anlage entfernt flussab an der Horloff. 1768 war das Salzwerk mit Siedehaus, Wohnhaus und Stallungen komplett. Das Wasser lief über Schwarzdornzweige. Um die Sole auszukochen, wurde viel Holz aus den Laubacher Wäldern nach Trais-Horloff gebracht.

Das Grafenhaus profitierte von dem Salzwerk. Die Produktion reichte aus, um die gesamte Grafschaft damit zu versorgen. Der Graf verbot die Einfuhr fremden Salzes.

Einweihung vor 17 Jahren

1783 wurde die Saline verpachtet. Danach begannen wilde Zeiten. Unter anderem berichtet die Trais-Horloffer Chronik, dass ein Salinenverwalter, Jean Corelys Luyken, die Bücher gefälscht, einen Schuldenberg aufgehäuft und dann getürmt sein soll. 1784 erstickten zwei Arbeiter beim Graben eines neuen Brunnens.

Letztlich fiel das Salzwerk dem technischen Fortschritt zum Opfer: In Konkurrenz zur Steinsalzgewinnung war es unwirtschaftlich geworden. 1820 wurden die Gebäude abgerissen, das Material teilweise im Dorf weiterverwendet. Damit endete das erste Salinen-Kapitel der Dorfgeschichte.

Das zweite Kapitel wurde um die Jahrtausendwende aufgeschlagen. Die 1225-Jahrfeier stand vor der Tür. Der Wunsch, die Geschichte der Salzgewinnung mit einer kleinen Saline darzustellen, sollte in die Tat umgesetzt werden. Gleichzeitig wollte man den Sauerbrunnen, aus dem nach dörflicher Legende der Klapperstorch die kleinen Trais-Horloffer holt, wieder mehr Bedeutung zukommen lassen. Das Wasser ist kohlensäure-, aber nicht salzhaltig. 1961 hatte die Firma Hessenquelle den Brunnen gekauft, 2003 erwarb die Stadt das Sauerbrunnengelände.

Nachdem der alte Standort des Brunnens wiedergefunden war, machte sich der Stammtisch »Die Grenzgänger« daran, den Brunnenschacht auszugraben. Nach nur 20 Stunden war das Werk vollbracht. In insgesamt 1500 Stunden ehrenamtlicher Tätigkeit sowie freiwilligen Leistungen von Firmen wurde der Sauerbrunnen mit Basalt eingefasst und die Salinenanlage errichtet. Mit 80 000 Euro wurden die Kosten bei der Einweihung beziffert, wobei viele Materialspenden flossen.

Das Wasser plätscherte zur Einweihung über das Zweigwerk und im Brunnen. Landrat Willi Marx sprach davon, dass mit diesem markanten Punkt die Region insgesamt aufgewertet und für den Tourismus attraktiver werde.

Von der Aufwertung des Tourismus kann derzeit keine Rede sein. Nachdem die Technik der Saline fortlaufend Probleme bereitete, wurde diese vor einigen Jahren stillgelegt und durch eine Fotowand ersetzt. Auch der Brunnen - dem man zur Eröffnung Trinkwasserqualität zusprach - fließt nicht mehr. Dabei würde sich mancher Radler oder Wanderer über eine Möglichkeit sicher freuen, seine Getränkeflasche aufzufüllen. Es ist bedauerlich, dass dieses ehrenamtliche Projekt zu einem vergessenen Ort geworden ist. Vielleicht entfernt der Bauhof zumindest mal das Unkraut...

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