Reife Männer, frische Musik

Es waren die ersten Tage des aufbrechenden Frühlings 2022, als von den Buschtrommeln im Gießener Land nostalgische Klänge zu vernehmen waren. Die Nachricht: Der Instrumental-Allrounder Dieter »Jerry« Faust kehrt zu den Misfits zurück, die in ihren jungen Jahren mal als »die hessischen Rolling Stones« galten. (Als härtere Entsprechung zu den Black Shadows, die man als »Beatles von der Lahn« handelte).
Heute Abend hat die neue, alte Beat- und Rock’n’Roll-Formation Premiere, wollen Gitarrist Dr. Ulrich Hentschel, Bassist Mick Keller und Andy Herchen am Schlagzeug gemeinsam mit Faust am Licher Schlosspark das »Frühlingserwachen« zu einem Fest der Musik-Erinnerungen machen. Denn das Repertoire der reifen Männer ist der Jugend-Soundtrack all jener, die während der Pubertät unserer Republik das Licht der Welt erblickten.
Hier im Blatt ist die Geschichte der Misfits-Akteure mehrfach seziert worden; ob nun als »Notiz aus der Provinz« oder, weit ausführlicher, in der Reihe »Es war einmal im Gießener Land«.
2014 war die Rede von »Jerry« als letzten Beat-Dino; da stand er seit 50 Jahren auf den Beat-Bühnen der Region. Wer weiß es noch? 1964 hatte er mit den Sharks eine Veranstaltung der Liebigschule in Gießen aufgemischt und ein Jahr später mit Mick Keller, Robby Richter und Walter Woll besagte Misfits gegründet. Die waren dann auch jenseits der Landesgrenzen gefragt.
Hentschel startete zur selben Zeit bei den Starfighters - mit seiner ersten Stromgitarre, einer halbakustischen Höfner, die ihm sein Vater für 425 Mark im Musikhaus Kühlwetter im Gießener Neuenweg gekauft hatte. Der Vater? Klar, so war das mit den Geschäften damals, als man erst mit 21 volljährig wurde. Der Vollständigkeit halber sei ergänzt: Der Vater kaufte, der Filius zahlte - in Raten. Die Karriere des späteren Busecker Landarztes führte schnell zu den Rascals und alsbald zu den - genau - Misfits. Und mit Faust zusammen sah man ihn in den 1970ern auch bei den Tomy Olden Boys.
»Gemeinsam sind wir authentisch«, sagt Hentschel heute. Faust sei »ein Musiker der Extraklasse« und trage als Multiinstrumentalist und Sänger wesentlich dazu bei, eine noch überzeugendere Auswahl an junger Musik der frühen Jahre zu präsentieren.
Da sind wir doch gespannt, wie sich das anhört. Es könnte ein lauschiger Abend werden - mit erlesenen Instrumentalperlen der Spotniks und der Shadows, mit mehrstimmig interpretierten Beat-Klassikern - mit vielem von dem, was den »Summer of 69« samt der ihn umgebenden Zeit so einmalig machte. Mit »Amapola« und »Wipe Out« und no/FOTOS: BF

