Quartiers-Impfung ohne Quartier

Das Impfen in ausgewählten Stadtquartieren im Kreisgebiet steht in den Startlöchern. Der Auftakt am morgigen Samstag in Pohlheim verläuft allerdings etwas anders, als man erwarten könnte.
Am morgigen Samstag startet im Kreisgebiet ein bemerkenswertes Pilotprojekt: Mobile Impfteams sollen die Bewohner von ausgewählten Stadtquartieren im Gießener Land immunisieren. 500 Dosen des Vakzins von Johnson & Johnson stehen dafür zur Verfügung. Auch in Lollar und Gießen sind im Juli derartige Aktionen geplant. Der Auftakt in Pohlheim allerdings läuft etwas anders als man erwarten könnte.
Voller Optimismus und Vorfreude - und mit einem Augenzwinkern - kündigte Pohlheims Bürgermeister Andreas Ruck die Aktion in Watzenborn-Steinberg an: Er hoffe, dass am Samstag »so viele Menschen das Angebot wahrnehmen werden, dass wir am besten alle 500 Dosen verabreichen können.« Kurz darauf aber korrigierte ihn Landrätin Anita Schneider. »Nein nein, sagte sie. »Es sind in Pohlheim erst einmal nur 30 Dosen.«
So wird das Impfen in Quartieren eher im Kleinen starten. Und ein weiteres Detail überraschte bei der Vorstellung des Pilotprojekts am Mittwoch. Das Quartiers-Impfen wird zumindest beim Auftakt auch ohne Quartier ablaufen. An der Aktion können sich Menschen - angesprochen sind inbesondere Migranten - aus dem gesamten Stadtgebiet Pohlheims beteiligen.
Landrätin Anita Schneider hielt zwar für einen Moment eine Karte Pohlheims mit rot markierten Punkten in die Höhe, die auf Schwerpunkte von Corona-Ausbrüchen hinweisen. Doch ein genauerer Blick auf die Karte offenbarte: In dunklem Rot markiert war nahezu jeder Stadtteil Pohlheims, etwas heller war Dorf-Güll.
So entstand bei der Präsentation der leise Eindruck, es handle sich um einen Wahlkampftermin. Dass es sich beim Quartiers-Impfen und auch beim Auftakt in Pohlheim indes um sinnvolle und vorbildliche Aktionen handelt, machten die Vorsitzende des Pohlheimer Ausländerbeirats, Maryam Mourad, Werner Fleck vom Gesundheitsamt und Vivienne Banach, Gemeinwesenarbeitkoordinatorin des ZAUG, deutlich.
Die Initiative zum Auftakt in Pohlheim kam aus dem Ausländerbeirat der Stadt. Mourad berichtete, sie habe Kontakte des Gremiums angesprochen, man habe online auf das Impfen aufmerksam gemacht. Dann habe sie sich an die Gemeinwesenarbeit des ZAUG gewandt. »Aus einer kleinen Idee ist dann etwas Größeres geworden.«
Auch unter Migranten gebe es Unsicherheit und Angst vor dem Impfen, im Internet kursierten viele falsche Informationen über die Impfstoffe. »Wir haben uns gefragt: Wie können wir den Menschen helfen?«
Viele Personen erreiche man eben nicht mit Flyern oder über die Tageszeitung, sagte Fleck. »Und da ist die Angst vor dem Ungewissen.«
Es gehe beim Impfen in den Quartieren nicht nur darum, das Vakzin zu verabreichen. Sondern darum, aufzuklären. Auch eine Vermittlung zu einem Termin im Impfzentrum in Heuchelheim sei möglich. Die aktuelle Situation mit den niedrigen Fallzahlen sei günstig, um mit dem Impfen den Schutz vor der Pandemie zu stärken, sagte Fleck. »Wir sind dem Virus bisher immer hinterhergerannt. Jetzt können wir auch mal schneller als das Virus sein.«
Ziel sei, neben Aufklärung und Schutz vor der Pandemie »ein niedrigschwelliges Angebot zum Impfen zu schaffen«, sagte die Landrätin. Bei einer höheren Nachfrage werde man in Pohlheim auch einen zweiten Impftermin ermöglichen können. Bei den Corona-Schutzimpfungen, betonte sie, erreiche man allmählich einen kritischen Punkt. Man hoffe, aus dem Pilotprojekt Erfahrungen vor allem aus einem Grund zu sammeln: »Wer unbedingt eine Schutzimpfung haben wollte, hat sie bekommen. Alle, die Zweifel haben, müssen wir nun auf anderem Weg erreichen.«