Premiere im Gericht

Gießen/Hungen (bac). »So etwas gab es in Gießen noch nicht. Das war für uns eine Premiere«, kommentierte Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger das Ergebnis des Gerichtstages in dem Indizienprozess um den sogenannten Mord ohne Leiche. Zuvor waren Handmodelle der beiden Angeklagten begutachtet worden, allerdings mit keinem befriedigenden Ergebnis.
Seit knapp zwei Jahren müssen sich Olaf C. und Robert S. vor der fünften großen Strafkammer des Landgerichts Gießen wegen Mordes verantworten. Sie werden beschuldigt, Daniel M., einen gemeinsamen Bekannten, im November 2016 in einer Hofreite in Bellersheim erschossen und die Leiche beseitigt zu haben. Wer allerdings die tödlichen Schüsse abgegeben hat, das ist bis heute ungeklärt, denn beide Angeklagten beschuldigen sich gegenseitig der Tat. Da auch die Leiche von Daniel M. bis heute fehlt, kann sich die Anklage lediglich auf Indizien stützen.
Eine entscheidende Rolle soll dabei ein Paar Lederhandschuhe spielen, die im Rahmen der Ermittlungen sichergestellt wurden. Sie gehören Olaf C., dem älteren der beiden Angeklagten, aufbewahrt wurden sie von Robert S. Mit diesen Beweisstücken hatte Robert S. den anderen Beschuldigten angeblich erpresst und sich damit sein Schweigen erkauft, bevor dieser letztlich 2020 zur Polizei ging und der Fall ins Rollen kam.
Schmauchspuren und die DNA des Älteren wurden an den Handschuhen sichergestellt. Für das Fehlen von DNA-Spuren des Jüngeren hatte Olaf C. an einem früheren Termin eine Erklärung parat: Robert S. habe unter den Handschuhen Einmalhandschuhe getragen. Das Gericht wollte nun klären, wem die Handschuhe passen. Robert S. hatte sich bereit erklärt, die Handschuhe anzuziehen, Olaf C. nicht, da ihn dies zu sehr seelisch belasten würde.
Daraufhin ließ das Gericht Modelle der Hände der beiden Angeklagten anfertigen. Aufwendig wurden die Hände mit einer Plastikmasse nachgeformt. Jedoch ließen sie sich nicht so einfach in die Handschuhe stecken, wie die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze feststellen musste. Die Modelle waren bei Weitem nicht so biegsam wie es echte Hände sind, insbesondere die Handteller erwiesen sich als Problem. Auch die Oberfläche ist wesentlich rauer. Das Ergebnis war daher nicht so eindeutig wie erhofft.
Am nächsten Prozesstag soll nun Robert S. die Handschuhe mit Einmalhandschuhen überstreifen. Auch das werde er machen, hatte er zuvor erklärt.