Prall gefüllte Auftragsbücher
Gießen (pm). Im Landkreis Gießen wurden im vergangenen Jahr 1360 neue Wohnungen gebaut - in Ein- und Zweifamilienhäusern, in Reihen- und Mehrfamilienhäusern. Das teilt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mit. Die IG Bau beruft sich auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts. Demnach flossen für den Neubau im Kreis Gießen Investitionen in Höhe von rund 198 Millionen Euro.
»Der Boom der Branche hält schon seit Jahren an. Und es ist kein Ende in Sicht«, sagt Bezirksvorsitzende Doris Hammes. Die Gewerkschafterin verweist auf einen wachsenden Berg genehmigter, aber noch nicht fertiggestellter Wohnungen, der zu »prall gefüllten Auftragsbüchern« bei den Unternehmen führe: Nach einer Auswertung des Pestel-Instituts wurden im Landkreis zwischen 2011 und 2019 Bau-genehmigungen für rund 2400 Wohnungen erteilt, die noch gebaut werden müssen.
»Es gibt einen regelrechten Stau am Bau. Maurer, Zimmerleute und Fliesenleger arbeiten am Anschlag, um die Auftragsflut zu bewältigen. Statt Kurzarbeit und Homeoffice heißt es bei ihnen: Überstunden und Wochenendarbeit«, sagt Hammes. Die IG Bau Mittelhessen fordert, die Beschäftigten in der Region an den guten Geschäften der Firmen fair zu beteiligen.
In der laufenden Tarifrunde setzt sich die Gewerkschaft für ein Einkommensplus von 5,3 Prozent ein. Außerdem sollen die sogenannten Wegezeiten, also die langen, meist unbezahlten Fahrzeiten zu den Baustellen, entschädigt werden. Darüber hinaus sollen die Lohnunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung überwunden werden.
»Bauleute machen einen unverzichtbaren Job: Sie schaffen dringend benötigten Wohnraum, halten Straßen und Brücken instand, bauen Gleise und errichten Windräder«, sagt IG-Bau-Verhandlungsführer Carsten Burckhardt. Zugleich habe die Baubranche die Binnenkonjunktur im Corona-Jahr 2020 entscheidend stabilisiert und einen noch stärkeren Einbruch verhindert. »Es ist überfällig, dass die Arbeitgeber diese Leistung anerkennen«, so Burckhardt. Die Beschäftigten erwarteten ein kräftiges Lohnplus und einen Ausgleich für die oft stundenlange Pendelei zu den Baustellen - »das ist Zeit, in der sie ihre Familie nicht sehen, um für den Chef unterwegs zu sein«.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im vergangenen Jahr 306 376 neue Wohnungen in Deutschland fertiggestellt, ein Plus von 4,6 Prozent gegenüber 2019. Damit wurden so viele Wohnungen neu gebaut wie seit 2001 nicht mehr. Die Behörde geht zudem von bundesweit rund 780 000 genehmigten Wohnungen aus, die erst noch gebaut werden müssen. Laut Zentralverband des Deutschen Baugewerbes stieg der Umsatz der Branche im vergangenen Jahr um sechs Prozent auf 143 Milliarden Euro.
Die Tarifverhandlungen gehen am Montag in die zweite Runde.