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Ziel Bürgerentscheid: Outlet-Gegner auf Stimmenfang in Pohlheim

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Von: Stefan Schaal

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Sie ziehen von Tür zu Tür durch Pohlheim: 50 Aktive der Bürgerinitiative, die ein Outlet verhindern wollen, sammeln Unterschriften für einen Bürgerentscheid. Ihre Aussichten auf Erfolg stehen gut.

Es knarzt und brummt. Michel Kögler beugt sich hinunter, hält sein Ohr direkt an die Sprechanlage – und hört eine leise Stimme. »Bei mir net«, sagt ein älterer Herr. »Sie können gleich weitergehen.« Kögler zuckt mit den Schultern. »Natürlich stoßen wir auch auf Ablehnung«, sagt er. Dann geht er weiter. Zum nächsten Haus. Zur nächsten Hofreite in Watzenborn. Und klingelt.

BI gibt keinen Zwischenstand heraus

50 Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) Garbenteich ziehen derzeit durch die Straßen der Pohlheimer Stadtteile, bewaffnet mit einer Mappe, einem Stift und Listen. Sie sammeln Unterschriften. Ihr Ziel: Ein Bürgerentscheid über die Frage, ob in Garbenteich-Ost ein Factory-Outlet-Center entstehen soll. Bis 13. April benötigen sie mindestens 1388 Unterzeichner.

Einen Zwischenstand will die BI nicht herausgeben. »Aus taktischen Gründen«, sagt der Vorsitzende Olaf Bappert. Doch wer Mitglieder der Bürgerinitiative beim Unterschriftensammeln begleitet, gewinnt den Eindruck: Sie dürften ihr Ziel erreichen und der Bürgerentscheid wird kommen. »Allein heute haben wir 128 Unterschriften nur aus Dorf-Güll bekommen«, berichtet Bappert am Freitag.

Bei einer so großen Sache sollten die Bürger mitreden können

Uwe Schenck

Es ist später Nachmittag. Michaela Schöffmann klingelt an einer Tür in der Watzenborner Fahrtgasse. Uwe Schenck öffnet und hält fest: »Ich weiß noch gar nicht, ob ich für oder gegen ein Outlet-Center bin. Vielleicht ist es für die Region eine gute Idee?« Dennoch setzt er seine Unterschrift auf die Liste. Sein Argument: »Bei einer so großen Sache sollten die Bürger mitreden können.«

Aus genau diesem Grund hinterlassen auch viele andere Pohlheimer, die sich ein Outlet-Center wünschen und der BI niemals beitreten würden, ihren Namen auf der Liste. »Wir wollen erst einmal nur, dass die Bürger gefragt werden«, sagt auch Bappert. »Überlassen Sie die Entscheidung über ein Outlet-Center nicht den Politikern alleine.« Der BI-Vorsitzende meint, die Stadtpolitik »will uns bewusst nicht in die Entscheidung integrieren«.

Gespräche scheitern an der Sprache

Immer wieder treffen die BI-Mitglieder auf Pohlheimer, die Unterschriften bereits unter Nachbarn gesammelt haben und daher an der Tür nur eine Liste abgeben. Gleichzeitig kommt es in Watzenborn bisweilen gar nicht erst zu Gesprächen an der Haustür. »In einer Stunde ist es jetzt dreimal an der Sprache gescheitert«, berichtet ein BI-Aktiver.

Zwei große schwarze Labrador-Hunde springen auf Eckart Hafemann zu, als er eine Hofreite betritt. Fenja und Edda bellen laut, während sich der Fraktionsvorsitzende der Pohlheimer Grünen im Stadtparlament mit dem Hundebesitzer unterhält. »Mich irritiert, dass das Outlet-Projekt so lange geheim gehalten wurde«, sagt Christian Spies. »Ein Bürgerentscheid trägt dazu bei, dass die Politik einfach mal hinterfragt wird.« Eine junge Frau unterschreibt aus einem ganz anderen Grund: »Das Gebiet in Garbenteich ist einer der wenigen grünen Flecken hier«, sagt Juliane Ritter.. Die Fläche solle nicht zubetoniert werden.

Die Aktiven der BI berichten, dass sich vor allem ältere Pohlheimer in der Liste eintragen. »Mehr als die Hälfte der Unterzeichner sind über 70 Jahre alt«, sagt Bappert. »Viele Jüngere sind überhaupt nicht interessiert. Das ist traurig.«

BI: Lassen uns nicht kaufen

Die BI wehrt sich unterdessen gegen den in einer Pressemitteilung der Freien Wähler erhobenen Vorwurf, es würden Stimmen durch Gießener Geschäftsleute gekauft. Der Verein Marktquartier habe lediglich zugesagt, »uns bei Bedarf zum Beispiel bei Flugblättern zu unterstützen, wenn sich Aktionen gegen das Outlet-Center richten«, sagt Hans Jürgen Jacob. Es sei aber bisher kein Geld geflossen. Die bislang 2000 Euro für Materialkosten und ähnliches habe man aus eigenen Mitteln getragen. »Wir lassen uns nicht kaufen.«

Samstagmorgen, vor einer Woche. Es ist dunkel, kurz nach 6 Uhr, der Parkplatz vor der Bäckerei »Volkmann« ist von Schnee bedeckt. Zwei Verkäuferinnen stehen hinter der Theke. »Ob da jetzt ein Outlet kommt oder nicht, ist doch Jacke wie Hose«, sagt eine von ihnen. Sie werde nicht unterschreiben. Bappert und der Grünen-Vorsitzende Reimar Stenzel stellen draußen einen Stand auf. Als zwei Männer vorbeigehen, flüstert Bappert: »Das sind Teutonen, die würden nie unterzeichnen.« Der Geschäftsführer der Teutonia Watzenborn-Steinberg, Jörg Fischer, hat das Outlet-Projekt maßgeblich mit eingeleitet. Fischer würde den Vereinsmitgliedern gewiss nicht vorschreiben, an der Unterschriftensammlung nicht teilzunehmen – die Aktiven der BI aber sind misstrauisch. Bappert geht kurz darauf in die Bäckerei, unterhält sich mit den Verkäuferinnen. Eine Minute später verlässt er das Geschäft wieder – mit zwei weiteren Unterschriften auf der Liste.

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