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»Ich hatte keine Todesangst«: Mickie Krause spricht offen über seine Krebserkrankung

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Von: Stefan Schaal

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Er sei überrascht gewesen, als im April 2009 beim ersten Wiesnfest in Watzenborn-Steinberg alle Besucher in bayrische Kluft, in Dirndln und Lederhosen gekleidet waren, erzählt Mickie Krause. »Es war merkwürdig. Pohlheim war ein Vorreiter.«
Er sei überrascht gewesen, als im April 2009 beim ersten Wiesnfest in Watzenborn-Steinberg alle Besucher in bayrische Kluft, in Dirndln und Lederhosen gekleidet waren, erzählt Mickie Krause. »Es war merkwürdig. Pohlheim war ein Vorreiter.« Archivfoto © HÄUSER

Nach zwei Jahren Corona-Pause öffnet am Freitag das Wiesnfest in Pohlheim wieder seine Türen. Zur Eröffnung kommt mit Mickie Krause ein Hochkaräter.

Pohlheim – Am Freitag (29. April) tritt Mickie Krause beim Wiesnfest in Pohlheim auf - nach zwei Jahren Corona-Pause und nachdem der Schlagersänger eine Krebserkrankung überstanden hat. Er habe sich nach der Diagnose anfangs hilflos und überfordert gefühlt, sagt er. »Aber ich bin damit sachlich und realistisch umgegangen.«

Mickie Krause, ab Freitag stehen Sie wieder in Pohlheim im vollen Festzelt auf der Bühne. Wird sich das angesichts der Pandemie und nach zwei Jahren Pause nicht merkwürdig anfühlen?

Mittlerweile nicht mehr. Seit Anfang April hatte ich schon ein paar Auftritte, auf Mallorca im Megapark und am vergangenen Wochenende in Köln und Aachen. Ganz schnell ist wieder das Gefühl wie vor Corona da. Als wäre nichts gewesen. Das wird auch in Pohlheim der Fall sein.

Dass 4500 Menschen ohne Maskenpflicht dicht gedrängt feiern, stimmt Sie nicht nachdenklich?

Auf einmal nicht mehr mit Maske feiern zu können ist wie zum Beispiel am vergangenen Wochenende vor 12 000 Menschen in Köln tatsächlich ein merkwürdiges Gefühl. Ich bin ehrlich: Ich bin in dem Moment ganz froh, dass ich auf der Bühne stehe und nicht im Publikum. Aber wir können uns nicht permanent über Jahre unterordnen lassen, auch nicht den Ideen der Politiker. Wir müssen versuchen, dass wir einen Neustart schaffen. Vielleicht hilft uns die Party dabei.

Vor einem Jahr haben Sie befürchtet, dass die Menschen nach der Corona-Pause zunächst mit angezogener Handbremse feiern. Diese Sorge hat sich aufgelöst?

Ja, gleich bei meinem ersten Auftritt am 7. April im Megapark. Da habe ich gemerkt, dass die Leute Gas geben wollen. Mit dieser Situation habe ich nicht gerechnet. Ich habe gedacht, dass die Leute am Anfang ein bisschen zurückhaltender sind, dass in Pohlheim vielleicht nur 1500 statt 4500 Menschen ins Festzelt kommen, weil viele eben noch verängstigt sind. Aber ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass das bei derartigen Party-Veranstaltungen nicht der Fall ist. Ich sehe das bei anderen Künstlern. Vor ein paar Wochen habe ich ein Konzert von James Blunt besucht, da haben dann doch 200, 300 Leute gefehlt, weil einige Leute Angst haben, in eine so große Halle zu gehen.

Wiesnfest in Pohlheim: Mickie Krause ist mit Krebs-Diagnose „sachlich und realistisch“ umgegangen

Was haben Sie in den zwei Jahren neben ihren TV-Auftritten gemacht?

Ich habe viel Zeit mit meiner Familie verbracht. Wir waren viel im Garten. Ich habe meine Steuern erledigt, habe eine Mietnebenkostenabrechnung erstellt. Wir genießen den Luxus, ein kleines Haus an der Nordsee zu haben. Es war traumhaft, einfach drei Wochen am Stück dort zu verbringen, weil ich wusste, dass in den nächsten Wochen nichts los ist. Eigentlich hatte ich sowieso vor, von November 2020 bis April 2021 eine Auszeit zu nehmen. Dass daraus zwei Jahre würden, war nicht geplant.

Sie haben in diesen zwei Jahren auch eine schwierige Zeit erlebt. Im Januar dieses Jahres wurde bei Ihnen Blasenkrebs diagnostiziert.

Es war nicht so, dass mir das den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Direkt im Moment der Diagnose habe ich den Arzt gefragt habe, wie die Prognose aussieht. Er hat geantwortet, dass ich mit dem Krebs alt werden kann und durch Operation und Therapie krebsfrei werden kann. Das war nach der Hiobsbotschaft die beste Nachricht. Der Krebs wurde rechtzeitig erkannt, ich hatte Glück im Unglück. Heute bin ich tumorfrei. Aktuell mache ich eine Immuntherapie, sie scheint sehr gut anzuschlagen. Ich hoffe, dass dadurch der Krebs nicht wieder andockt.

Hatten Sie Todesangst?

Ich hatte gar keine Zeit, mich großartig mit Ängsten auseinanderzusetzen, weil alles so schnell ging. Am 6. Januar war die Diagnose, am 7. Januar hatte ich ein Aufnahmegespräch in der Charité in Berlin. Am 8. Januar habe ich im Fernsehen für die Sendung »Showtime of my life« getanzt. Und am 10. Januar bin ich operiert worden. Ängste hatte ich bekommen, wenn der erste Operationstermin sechs Wochen später gewesen wäre.

Das klingt nach einem pragmatischen Umgang mit der Diagnose, die im ersten Moment sicher auch schockierend war.

Natürlich fühlt man sich im ersten Moment hilflos und ist völlig überfordert mit der Situation, weil sie nicht real wirkt. Aber ich bin damit sachlich und realistisch umgegangen. Ich war nicht großartig betrübt, dass es mich erwischt hat. Ich bin ein starker und selbstbewusster Mann, deshalb bin ich als Musiker immer noch so erfolgreich. Wenn man in diesem Job nicht selbstbewusst ist, hat man keine Chance, zu bestehen. Ich mache mir zur Zeit mehr Gedanken um mein Haus auf Mallorca, leider sind dort unsere ganzen Wasserleiteungen kaputt. Das bereitet mir schlaflose Nächte. Nach der Krebsdiagnose hatte ich das nicht.

Mickie Krause über Diagnose: „Der Auftrag der Show war ja, zur Krebsvorsorge aufzurufen“

Sie haben demnach auch kein mulmiges Gefühl, als Teil der vulnerablen Gruppe nun wieder auf der Bühne im vollen Festzelt zu stehen?

Nein, nicht für eine Sekunde. Ich bin Musiker. Singen macht mich glücklich. Deshalb bin ich ein glücklicher Mensch. Da muss ich mir nicht negative Gedanken über diese Krankheit machen. Ich weiß nicht, wie es in zwei Jahren ist, wenn auf einmal der Krebs zurück sein sollte. Aber ich gehe vom Guten aus. Wenn ich mir ständig Gedanken machen würde, könnte ich am Wochenende definitiv nicht in Pohlheim auftreten.

Sie sind jemand, der sein Privatleben schützt. Die Perücke, die Sie tragen, ist dafür ein Symbol. Haben Sie es als unangenehm empfunden, dass Sie die Krebsdiagnose vor laufender Kamera in einer Fernsehshow erhalten haben?

Nein. Der Auftrag der Show war ja, zur Krebsvorsorge aufzurufen. Und die Kollegen, die an der Sendung teilgenommen haben, sind mir beigestanden und haben mich durch die Produktion getragen.

Hat die Krankheit Ihren Blick aufs Leben verändert?

Ich bin noch glücklicher, noch dankbarer für Momente, die ich mit Familie und Freunden habe.

Werden Sie weiterhin bei jährlich 250 Konzerten auf der Bühne stehen?

Nein. In diesem Jahr werde ich noch allen Veranstaltern, für die ja zwei Jahre lang alles ausgefallen ist, gerecht werden. Aber ab kommendem Jahr werde ich die Zahl der Auftritte in Deutschland auf 150 reduzieren.

Wiesnfest in Pohlheim: Mickie Krause will, dass „die Auftritte qualitativ hochwertig bleiben“

Aus gesundheitlichen Gründen?

Ich bin Anfang 50, habe bis zur Corona-Krise 22 Jahre lang Vollgas gegeben. Da kann man sich auch entscheiden, dass man ein bisschen weniger auf der Bühne steht, damit die Auftritte qualitativ hochwertig bleiben und die Lust nicht flöten geht. Vor Corona, im November 2019, habe ich eine Zeitlang verspürt, wie sich ein Burnout anfühlt. Aber momentan bin ich voller Tatendrang und voller Lust, ich freue mich auf Pohlheim.

Haben Sie eigentlich einen Zeitplan, wie lange Sie noch auf der Bühne stehen wollen?

2037 bekomme ich meinen Rentenbescheid, dann bin ich Mitte 60. Solange die Gesundheit mitspielt und die Leute Bock auf meine Musik haben, kriegt man micht nicht so schnell von der Bühne. Jürgen Drews ist ja 77 und macht nur noch die Auftritte, auf die er Lust hat. Wenn die Leute Spaß daran haben, dass ich mich auf die Bühne stelle und mit den Leuten feiere, wird man mich noch mit 65, 70 auf der Bühne sehen. Aber nicht mit dem Pensum wie heute.

Sie treten seit dem ersten Wiesnfest jedes Jahr an der Mockswiese auf. Was hat dazu beigetragen, dass Sie in Pohlheim der treueste Künstler sind?

Eigentlich ist Pohlheim überhaupt nicht meine Ecke, ich bin ein Landei aus dem Münsterland. Ich weiß noch, wie überrascht ich beim ersten Mal 2009 war, dass in dem Festzelt im April alle Besucher in bayrische Kluft, in Dirndln und Lederhosen gekleidet waren. Es war merkwürdig. Derartige Oktoberfeste gab es damals nur im Herbst in München und in Stuttgart. Pohlheim war da ein Vorreiter und ist dafür mittlerweile bekannt.

„Privat höre ich U2 und Depeche Mode“

Der 51 Jahre alte Mickie Krause ist einer der bekanntesten deutschen Schlager- und Partysänger. Zu seinen Hits zählen »Schatzi, schenk mir ein Foto« und »Zehn nackte Frisösen«. Auf dem Wiesnfest in Watzenborn-Steinberg tritt er am Freitag, 29. April sowie am Freitag, den 6. Mai, und am Samstag, den 7. Mai auf. Mit seiner Frau, drei Töchtern und einem Sohn lebt er in Wettringen nahe Münster. Privat, erzählt er, höre er vor allem Musik aus den 80er Jahren wie U2, Depeche Mode, Sting und die Simple Minds sowie Coldplay und die Editors.

(Stefan Schaal)

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