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Rotlicht-Klientel in Mehrfamilienhaus im Kreis Gießen sorgt für Angst und Ärger - „Das alles ist ein Desaster“

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Von: Stefan Schaal

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Bewohner eines Mehrfamilienhauses im Kreis Gießen haben Probleme mit Rotlicht-Klientel im Gebäude. Der Fall dürfte vor Gericht landen.

Pohlheim - Wer online auf »Google Maps« Hausen ansteuert und am östlichen Rand des Pohlheimer Stadtteils die Danziger Straße sucht, entdeckt dort das pinkfarbene Symbol eines Betts. Ein Hotelbetrieb ist unter der Adresse markiert - unter dem Namen »modern Hoteliving Gießen«. Es mache ihn fassungslos, sagt einer der 60 Wohnungseigentümer in dem Haus. Seit vier Jahren verkehre Rotlicht-Klientel in den Räumen eines Apartments im Erdgeschoss, die dort zur Tagesmiete angeboten werden. »Wir fühlen uns in unserem Hausfrieden bedroht.«

Immerhin einen Teilerfolg verbuchen die Wohnungseigentümer, nachdem diese Zeitung vor zwei Jahren über den Fall berichtet hat. »Was sich geändert hat? Dass das hier kein stationärer Puff mehr ist«, sagt Wolfgang Müller (Name von der Redaktion geändert), einer der 60 Wohnungseigentümer. »Die Klientel aber ist dieselbe geblieben.« Prostituierte und Zuhälter, erzählt er, übernachten dort weiterhin. »Die Zuhälter fahren die Frauen nachmittags in Bordelle der Gegend. Nachts um vier holen sie sie dann wieder ab und bringen sie hierher«, sagt Müller. »Dann wird es laut bei uns im Haus. Geschrei und Musik in voller Lautstärke bei geöffnetem Fenster.«

Rotlicht-Klientel in Wohnhaus in Pohlheim-Hausen: „Unbekannte hämmern nachts an unsere Türen“

Dass inzwischen keine Freier mehr im Hausflur lungern und illegale Prostitution in dem Haus nicht mehr ausgeübt wird, darüber sei er durchaus erleichtert, erklärt er. Dazu haben auch regelmäßige Razzien und Kontrollen durch Polizei und Ordnungsamt über mehrere Monate hinweg beigetragen.

Unwohl fühlen sich die Wohnungseigentümer aber weiterhin, betont Müller. »Unbekannte hämmern nachts an unseren Türen, klauen im Keller Waschkörbe und Waschmittel.« Gäste des zumindest hotelähnlichen Betriebs im Erdgeschoss entnehmen den Schlüssel für das Apartment aus einem mit einem Codewort geschützten Kasten - und erhalten dadurch Zugang ins Haus. Unten, wo Waschmaschine und Trockner stehen, hingen die Räume immer wieder voll mit Hotelwäsche, sagt Müller. Als seine Frau einmal den Keller des Hauses aufgesucht hat, habe dort ein Mann gestanden und sei ihr anschließend schweigend bis nach oben vor die Wohnungstür gefolgt. Immer wieder werde Müll auf dem Parkplatz abgeladen, berichtet er weiter. »Und wenn wir uns darüber beschweren, werden wir beschimpft und bedroht.«

Sexarbeit
Prostituierte und Zuhälter gehen in dem Haus in Pohlheim-Hausen offenbar aus und ein. (Symbolbild) © Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild

Rufen er oder andere Hausbewohner die Polizei, dauere es häufig zwei bis drei Stunden, bis Beamte kommen. »Wir haben dort vermutlich zu oft angerufen«, sagt Müller. Dann atmet er tief ein und aus und sagt: »Der Zirkus geht leider weiter.«

Rotlicht-Klientel in Wohnhaus in Pohlheim-Hausen: Fall dürfte vor Gericht landen

Der Fall wird vermutlich vor Gericht landen. Dies bestätigt Klaus Peter Möller, Geschäftsführer des Unternehmens sucasa, das seit einem guten Jahr mit der Hausverwaltung beauftragt ist. Nach einem Beschluss der Eigentümerversammlung sei ein Rechtsanwalt beauftragt, berichtet Möller. Bis in der Angelegenheit weitere rechtliche Schritte unternommen werden, sei Geduld gefragt.

Unabhängig von der Klientel aus dem Rotlichtmilieu, die Anwohnern zufolge in dem Gebäude ein und aus geht, lenkt der Fall die Aufmerksamkeit auf eine Frage, die viele Menschen bewegen dürfte: Welche Handhabe haben Bewohner von Mehrfamilienhäusern, wenn einzelne Apartments über Seiten wie hier über www.booking.com zur Tagesmiete angeboten werden und dabei Grenzen überschritten werden?

Die Anwohner in der Danziger Straße sind im Juni 2020 schon einmal vor Gericht gescheitert. Ihre Klage auf Unterlassung der Kurzzeitvermietung gegen die hotelähnliche Vermietung wurde am Gießener Amtsgericht abgewiesen. Eine Vermietung der Wohnung sei gestattet, erklärte der Richter damals. Jedem Wohnungseigentümer stehe das Recht zu, Gäste zu empfangen. Dass der Eigentümer ein Hotelgewerbe ausübt, sei nicht bewiesen.

Rotlicht-Klientel in Wohnhaus in Pohlheim-Hausen: Bürgermeister sieht Hände gebunden

Das Urteil überrascht, weil der Angeklagte die Zimmer im Internet ausdrücklich auf einer Hotelseite bewirbt. »Von einem privaten Gastgeber geführt« ist auf der Seite www.booking.com vermerkt. »Ein Einzelner kann in einem Apartmenthaus machen, was er will«, sagt Müller frustriert.

Pohlheims Bürgermeister Andreas Ruck erklärt auf Nachfrage, der Stadt seien die Hände gebunden. »Es ist eine privatrechtliche Angelegenheit.«

»Das alles ist ein Desaster«, sagt Müller. Er und seine Frau wohnen seit mehreren Jahren in dem Gebäude in einer Eigentumswohnung. Seinen Namen will er in der Zeitung nicht sehen. Denn sicher, betont er, fühle er sich seit nun vier Jahren nicht mehr. In einem Haus, in dem vor allem Rentner und Senioren leben.

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