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Kreis Gießen: Ärger um Rotlicht-Betrieb in einem Mehrfamilienhaus

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Von: Stefan Schaal

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Ein Sprecher der Polizei bestätigt, dass in einem Mehrfamilienhaus in Hausen in der Danziger Straße Zimmer zur Vermietung angeboten und teilweise von Prostituierten genutzt wurden. »Alle schauen weg«, beklagt ein Bewohner des Hauses.
Ein Sprecher der Polizei bestätigt, dass in einem Mehrfamilienhaus in Hausen in der Danziger Straße Zimmer zur Vermietung angeboten und teilweise von Prostituierten genutzt wurden. »Alle schauen weg«, beklagt ein Bewohner des Hauses. © Stefan Schaal

Zimmer eines Mehrfamilienhauses in Pohlheim werden auf einer Hotelseite zur Tagesmiete angeboten. Die Bewohner fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen.

Wer ein Hotel im Kreis Gießen sucht und auf der Seite www.booking.com nachschaut, findet eine Unterkunft am östlichen Rand des Pohlheimer Stadtteils Hausen - inklusive Kinderspielplatz, kostenloser Parkplätze und Garten. Was die Bewertungen auf der Seite angeht, belegt es unter den Herbergen im Gießener Land den vorletzten Rang. »Hat ein wenig was von Liebeszimmer«, heißt es im Kommentar eines Gastes. »Für längere Aufenthalte würde ich das Zimmer nicht empfehlen«, schreibt ein anderer. Um ein klassisches Hotel handelt es sich wohlgemerkt nicht, sondern um eine Wohnung und ein Apartment im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses.

Razzien wegen illegaler Prostitution in Pohlheim: Räume wie Hotelzimmer vermietet

»Das alles ist ein Desaster«, sagt Heiko Fischer ( Name von der Redaktion geändert ). »Wir fühlen uns durch Lärm und Müll belästigt und im Hausfrieden bedroht«, fügt der 68 Jahre alte Pohlheimer hinzu. »Fremde Menschen laufen durch die Stockwerke, belagern Kellerräume.« Unten, wo Waschmaschine und Trockner stehen, hingen die Räume voll mit Hotelwäsche. Als seine Frau vor mehreren Wochen den Keller des Hauses aufgesucht habe, habe dort ein Mann gelungert und sei ihr anschließend schweigend bis nach oben gefolgt.

Fischer und seine Frau wohnen seit mehreren Jahren in dem Gebäude in einer Eigentumswohnung. Wohl und sicher, betont er, fühle er sich dort seit zwei Jahren nicht mehr - seitdem ein Hauseigentümer Räume im Erdgeschoss wie Hotelzimmer vermietet.

Seinen wirklichen Namen will Fischer nicht in der Zeitung sehen. Er habe Angst, sagt er. Bestärkt wird seine Furcht durch eine Erkenntnis gegen Ende vergangenen Jahres: In dem Haus, in dem vor allem Rentner und Senioren leben, dienen die Zimmer im Erdgeschoss bis vor wenigen Tagen immer wieder der illegalen Prostitution. Es hat mehrere Razzien gegeben. Erst Mitte Februar hat die Polizei daher eine 22 und eine 36 Jahre alte Frau festgenommen. Ein Mann flüchtete, konnte aber festgenommen werden.

Pohlheim: Laufendes Verfahren wegen illegaler Prostitution

Carsten Nowak, der Leiter des Ordnungsamts in Pohlheim, bestätigt die Vorwürfe der illegalen Prostitution in dem Haus. Weiter will sich Nowak allerdings nicht äußern, »weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt«.

Die Prostituierten und aufgemotzte Autos mit donnernden Motoren seien ihm und den Nachbarn hin und wieder aufgefallen, erzählt Fischer. Sie hätten gedacht, das sei in Hotels bisweilen üblich. »Aber bei der ersten Razzia, als Frauen und Zuhälter hier draußen auf dem Hof gestanden haben, sind wir aus allen Wolken gefallen.«

Er und weitere rund 60 Wohnungseigentümer wussten im Juni vergangenen Jahres noch nichts von der Prostitution in ihrem Haus, als sie sich zusammenschlossen, um sich am Gießener Amtsgericht gegen die hotelähnliche Vermietung der Apartments im Erdgeschoss durch einen Eigentümer zu wehren.

Pohlheim: Vermietung von Räumen eines Mehrfamilienhauses auf Hotelseite im Internet

Das Gericht wies die Klage der Anwohner auf Unterlassung der Kurzzeitvermietung allerdings ab. Eine Vermietung der Wohnung sei gestattet, erklärte der Richter. Jedem Wohnungseigentümer stehe das Recht zu, Gäste zu empfangen. Dass der Eigentümer ein Hotelgewerbe ausübt, sei nicht bewiesen.

Das Urteil überrascht, weil der Angeklagte die Zimmer im Internet ausdrücklich auf einer Hotelseite bewirbt. »Ein Einzelner kann in einem Apartmenthaus machen, was er will«, sagt Fischer frustriert.

Der Angeklagte habe die Wohnung und das Apartment im Erdgeschoss vor zweieinhalb Jahren gekauft, erzählt Fischer. »Er hat ein halbes Jahr gebastelt, geschraubt und die Zimmer renoviert. Er war unheimlich freundlich. Alles wird gut, haben wir uns im Haus gedacht.«

Tagesvermietung in Pohlheim auch in Corona-Zeit: Anwohner gehen in in Berufung

Dann aber sei der Mann weggezogen. »Und plötzlich sind fremde Leute aufgetaucht.« Die Hausverwaltung sei dann informiert worden, dass der Eigentümer die Zimmer zur Tagesmiete anbietet. »Bei einer Eigentümerversammlung haben wir ihn angesprochen«, sagt Fischer. »Wir haben ihn gebeten, mit der Tagesvermietung aufzuhören.« Doch er habe nur erklärt, bei der Renovierung seien Kosten entstanden, diese wolle er nun wieder begleichen.

Nach der Niederlage vor Gericht ist die Wohungseigentümergemeinschaft in Berufung gegangen. Ihr Fall dürfte nun mehr Aussicht auf Erfolg haben. Auch weil in Zeiten der Pandemie weiterhin Touristen zu Gast gewesen seien, sagt Fischer. »Ich darf mich auf 1,50 Meter keinem nähern, aber im Erdgeschoss leben acht fremde Leute aufeinander.« Der Vermieter könne das nicht kontrollieren, weil Gäste den Schlüssel nicht an einer Rezeption, sondern einem mit einem Codewort geschützten Kasten entnehmen.

Vor allem aber die Vorwürfe der illegalen Prostitution dürften den Anwohnern vor Gericht Argumente verschaffen, auch wenn Fischer noch skeptisch ist. Von den Behörden fühle er sich bisher weitgehend im Stich gelassen, sagt er. »Alle schauen weg. Auch das Gesetz.«

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