Männer, die auf Spätzle starren

Quiche, Spätzle, Lachs mit Meerrettichkruste: In einem Kurs der Kreis-Volkshochschule nur für Männer in Pohlheim probieren sich die Teilnehmer im Kochen - und sind über ihre rasche Lernkurve erstaunt. Inwiefern spielt es für sie eine Rolle, dass unter den Teilnehmern keine Frau in der Küche steht?
Die Runde ist satt. Pappsatt. Beate Schmüser und ein halbes Dutzend Männer sitzen in der Küche der Adolf-Reichwein-Schule in Watzenborn-Steinberg beisammen. Sie plaudern, einige streichen sich über den vollen Bauch, nippen an einem Weinglas, andere löffeln aus Dessertgläsern halbgefrorene Erdbeeren und Brombeeren mit einer Creme aus Magerquark, Joghurt und zerbröseltem Baiser. Und sie schmieden Pläne.
»Kaiserschmarrn«, sagt einer von ihnen. Österreichische Küche schwebe ihm vor. »Sacher-Torte«, schlägt er gleich darauf noch vor. Schmüser neigt sanft den Kopf nach links und rechts - fragend, ob das für den Männerkochkurs der Kreis-Volkshochschule, der sich an fortgeschrittene Einsteiger richtet, geeignet ist und ob die Zubereitung an einem Abendtermin zeitlich zu bewältigen ist.
Wer den Teilnehmern beim Gespräch am Tisch und beim Schmieden der Pläne für die bevorstehenden Kurstermine lauscht, stellt unterdessen fest, dass sie sich zutrauen, so gut wie jede Speise zuzubereiten, auch wenn einige unter ihnen blutige Anfänger sind. »Hier, in diesem Kurs, habe ich vor wenigen Wochen mein erstes Ei aufgeschlagen«, gesteht der 41 Jahre alte Alexander Thirtle.
Einmal in der Woche trifft sich die Gruppe unter der Leitung Schmüsers abends in der Küche der Adolf-Reichwein-Schule. Vor allem bei den Anfängern in der Runde ist beim fünften Termin das Erstaunen über sich selbst spürbar, wie schnell ihre Lernkurve angestiegen ist.
Nur einen Monat, nachdem Thirtle sein erstes Ei aufgeschlagen hat, steht er nun am Herd und legt vorsichtig Lachsfilets in die heiße Pfanne. Wenige Minuten zuvor hat er mit einem weiteren Teilnehmer die Panade, eine Meerrettichkruste, selbst zubereitet, hat Weißbrotscheiben mit dem Pürierstab zerbröselt, mit schaumig gerührter Butter vermischt und für eine Viertelstunde ins Tiefkühlfach gelegt. Einen Kilo Lauch haben sie außerdem geputzt, gewaschen und in Ringe geschnitten.
Die anderen Teilnehmer kochen währenddessen Spätzle, stellen eine große Form Quiche in den Backofen und bereiten das Dessert, die halbgefrorenen Früchte auf Baiser, vor. Schmüser, die Kursleiterin, geht von Station zu Station, gibt resolut und gleichsam lächelnd in kurzen Sätzen immer wieder Ratschläge. Den Reporter dieser Zeitung verdonnert sie kurzerhand zum Zwiebelschälen.
»Ich koche für mein Leben gern«, sagt sie einmal in einer ruhigen Sekunde. Früher habe sie im Auftrag der katholischen Familienbildungsstätte Kurse in Buseck angeboten und Tagesmüttern das Kochen beigebracht. Nun steht sie in einer Großküche in Pohlheim und gibt Männern mit freundlicher Stimme Kommandos.
Für einen Moment macht sie sich Sorgen, als sich die Zubereitung der Lachsfilets zu verzögern droht. Sie grübelt für einen Augenblick, sagt: »Vielleicht müssen wir...«, da unterbricht sie einer der Männer: »...den Nachtisch vor dem Hauptgang essen.« Die Gruppe bricht in Lachen aus.
Einschreiten muss Schmüser nur einmal. Die Spätzle wollen nicht so recht gelingen. Die beiden Männer, die am Kochtopf stehen, befüllen eine kleine Presse mit dem Teig, drücken ihn in kleinen Portionen in das Wasser im Topf. Als die beiden Teilnehmer kurz darauf die Spätzle mit einem Schaumlöffel wieder herausholen, sind diese allerdings etwas klebrig. Die Teilnehmer starren rätselnd in den Kochtopf und auf die Spätzle. Schmüser runzelt die Stirn, fragt, warum denn das Wasser nicht mehr kocht - und einer der beiden Männer gesteht raunend: »Ich habe die Temperatur heruntergedreht.«
Während die Teilnehmer schnibbeln, rühren, brutzeln und kochen, erzählen sie, warum sie hier teilnehmen. Dass er in einem Kochkurs nur für Männer gelandet ist, sei eher Zufall, berichtet Thirtle. »Mir ist einfach nur klar geworden, dass ich in der Küche mehr können sollte«, sagt er. Auf der Suche sei er auf das Angebot der Volkshochschule gestoßen. Auch für Teilnehmer Peter Schirra macht es wenig Unterschied, ob Frauen nun dabei sind oder nicht. Er sei hier, um Grundlagen zu lernen. »Zum Beispiel weiß ich jetzt, dass man Pilze nicht in Wasser reinigt, sondern mit einem Tuch putzt. Steffen Seipp erklärt, er nehme auch wegen der Gesellschaft an dem Kurs teil. Die Pandemie habe zu sozialer Isolation geführt.
Rentner Jürgen Kaufmann erklärt derweil, dass es für ihn durchaus eine Rolle spielt, dass keine Frauen in der Küche des Kurses stehen. »Es ist entspannter«, sagt er. Dann fügt er hinzu: »Wären auch Frauen in unserem Kurs, hätten wir Männer mehr abgespült als gekocht.«