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Demokratie und Heimat im Fokus

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Von: Roger Schmidt

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Pohlheim (rge). »Unsere Gesellschaft lebt von Vertrauen und Veränderung - daher werden sich kulturelle Selbstverständlichkeiten weiter verändern«, blickte der Kultursoziologe der Justus-Liebig-Universität, Prof. Jörn Ahrens, in die Zukunft. Diese Feststellung war die Essenz der Auftaktveranstaltung von »Kopf und Herz« - einem Abend, an dem Kunst und Wissenschaft mit dem Thema »Demokratie und Heimat« im Mittelpunkt standen.

Initiiert hatten das neue Veranstaltungsformat in Pohlheim die Sängerin und Kulturmanagerin Nidia Ortiz gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Sozialwissenschaftler Harald Mantai.

Musik und Kabarett

Für den kulturellen Teil hatte man den Kabarettisten Dietrich Faber eingeladen, der Teile seines Programms dem Publikum unter entsprechend kontrollierten Corona-Regeln im Hans-Weiß-Saal präsentierte. Ortiz selbst trat im Zusammenspiel mit den Jazz-Musikern David Frenkel (Flügel) und Johannes Langenbach (Schlagzeug) mit spanischsprachiger Musik auf, darunter etwa das gefühlvolle Liebeslied »Bésame mucho«. Moderator des kurzweiligen Abends war Hauke Burghardt.

Den lockeren Einstieg in das Programm bildete Dietrich Faber, der mit Humor und spitzer Zunge seine Kultfiguren aus der oberhessischen Heimatregion mit »Kommissar Bröhmann« in einer Lesung und das Vogelsberger Original »Manni Kreuzer« leibhaftig auf die Bühne brachte. Dass er auch politisch Zuspitzen kann, bewies Faber mit Auszügen aus seinen Kolumnen in der Gießener Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Rundschau. »Der kleine Mann«, der schreiend »über die da oben« zetert, war dafür ein perfektes Beispiel.

Von einer Renaissance des Begriffs der Heimat berichtete anschließend Prof. Ahrens. Kein einfaches Thema, denn der Begriff Heimat entstand im Anschluss des Dreißigjährigen Krieges. Entwurzelte Menschen erhielten damals das so genannte »Heimatrecht«, um wieder Fuß fassen zu können. In Zeiten der Industrialisierung und Modernisierung ab dem 18. Jahrhundert folgte eine Verbundenheit in Kultur und Identität. Der Heimatbegriff sei nicht eindeutig. Heute bedeute er für viele einen Schutzraum und sei in der Mitte der Gesellschaft wieder angekommen.

Publikumsgespräch

Ahrens zitierte Stoibers Wort von der »Überfremdung«, Höckes angedrohter »Heimatverlust«, Steinmeiers »Sehnsucht nach Heimat«, Habecks »Heimat ist der Ort, wo man Halt hat« und die in der Wertediskussion von Friedrich Merz angeführte »Leitkultur«. Sie assoziieren positive, aber auch negative Gefühle und Ängste je nach politischem Blickwinkel. Gefährlich werde es immer dann, wenn der Heimat-Begriff die Demokratie gefährde. Als »unabgeschlossenen Prozess« bezeichnete er so die Diskussionen zum Thema »Heimat«. Wissenschaft könne keine Politik ersetzen, so der Wissenschaftler. Die Gesellschaft entscheide am Ende.

Der interessante Abend mit guter Unterhaltung und Informationen, der dabei wichtige Impulse zum Nachdenken gab, schloss mit einem offenen Talk mit dem Publikum von Faber, Ahrens und Burkhardt. Dank ging an die Stadt Pohlheim, die Kreisvolkshochschule und weitere Unterstützer von »Kopf und Herz«.

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